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1860: Die Emanzipierte
1860: Der gute Ton—
Schauspielhauses abgesetzt worden. Graf Huͤlsen, der als Regimentsadju—
tant 1848 in der Naͤhe Berlins gelegen und eine schoͤne und gebildete Guts—
besitzerstochter geheiratet hatte, wurde 1851 Intendant. Er richtete sich ganz
aach der politischen Richtung und mußte sich schließlich nach Jahrzehnten
'agen lassen, er habe die Schauspiele und die Oper zum Zirkus Huͤlsen ge—
macht. Das große Ballett war die wichtigste Aufgabe der Institute. Von
den Damen revoltierte nicht eine dagegen. Sie hatten wohl alle einen aͤhn⸗
ichen, jede Eigenheit erstickenden Bildungsgang durchgemacht wie die Frau
des Intendanten Huͤlsen. Auf einem maͤrkischen Gut aufgewachsen, erhielt
sie in Berlin Zeichenunterricht bei Professor Raabe, Musikunterricht bei
Kullak. Tanzen lernte sie bei Frau Taglioni. Literaturgeschichte hoͤrte sie
bei Professor Schottmuͤller. All dies wurde damals nur zu gesellschaftlichen
Zwecken gelehrt, nicht um irgendein Talent auszubilden oder gar produktiv
zu machen. Irgendeine besondere Begabung wurde von all dem damenhaften
Wesen begraben. Als Gegengabe konnten solche Damen allerdings oft eine
Haͤuslichkeit bieten, in der sich Kuͤnstler wohl fuͤhlten. Aber viele boten auch
nichts als den beruͤchtigten Gesellschafts-Dilettantismus, eingewebt in eine
olendende und rauschende Geselligkeit. Sie hatten eigentlich nur eine Auf—
gabe: schoͤn zu sein und so wenig Geist und Erotik liebenswuͤrdig und grazioͤs