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schlangen, aber keine Seelentiefe darstellen
koͤnne, glaͤnzte in den neuesten Moden. Sie
kargte nicht mit ihren Schoͤnheiten. Die
Mode gab ihr ein Recht, ihre Schultern tief
zu entbloͤßen (S. 149). Kleinere Buͤhnensterne,
wie Sophie Loͤwe, die ein außerordentliches Ge⸗
schick fuͤr eine kuͤnstlerische Anwendung der
Mode besaß, wußten ihre Reize ebensogut zu
betonen. Die ganze Frauenwelt jener Tage
legte besonderen Wert darauf, mit der weib—
lich gerundeten Schulterlinie zu glaͤnzen. Auf
den Portraͤts der Damen der guten Gesell—⸗
schaft bezeugten sie mit den entbloͤßten
Schultern ihre volle Weiblichkeit. Nur wenige
Frauen ließen sich abweichend portraͤtieren,
wie die Saͤngerin Hendel-Schuͤtz oder wie
die jugendliche Tragoͤdin Niemann-Raabe. Luise Muͤhlbach, die Frau des
Literaturprofessors Mundt, machte jedoch die Mode mit (S. 140). Sie war uͤbri—
gens eine von den weiblichen Vielschreiberinnen, die besonders im neun—
zehnten Jahrhundert ihr Wesen trieben und das ganze Leben weiblich—
familienmuͤtterlich umdichteten. Sie schrieb ungefaͤhr hundert Romane,
in denen sie leichtfertig die Geschichte weiblich verwaͤsserte. Ihre Werke
waren fuͤr das Lesepublikum der sich epidemisch vermehrenden Leih—
bibliotheken eine Goldgrube. Sie entsprachen so recht dem Beduͤrfnis des
geistigen Klein—
buͤrgertums, zu
dem auch viele
Damen gehoͤrten.
Die wollten von
dem entnuͤchtern⸗
den Zauber der
Gegenwart nichts
wissen. Sie gin—
gen zwar auf der
modernen Straße
mit ihren vielen
Meter breitenKri⸗
nolinen und den
uͤppigen vielfar—
bigen tuͤrkischen
Fanny Elsler.