163
dings berichtet, daß bei den neu eingefuͤhrten
Pferderennen auf den duͤrftigen Tribuͤnen
auf dem Tempelhofer Felde eine Anzahl
feingekleidete Damen zu sehen waren. Das
Publikum bestand jedoch fast nur aus Bumm—
lern. Sonst aber mieden die aristokratischen
Damen jedes Zusammentreffen mit dem
„Volke“. Sie suchten zum Spazierengehen
die Stunden aus, in denen die Buͤrgerlichen
keine Zeit hatten. Und selbst beim Schlitt—
schuhlaufen hinter den Zelten, wo oft der
ganze Hof zu finden war, vergnuͤgten sich
die verschiedenen Gesellschaftsschichten zu
verschiedenen Tageszeiten. Die Damen
durften noch nicht mit Schlittschuhen aufs
Eis. Sie konnten sich wohl auf Pitkschlitten
schieben lassen (S. 55) oder konnten zusehen. Weiter ging die winterliche
Sportbetaͤtigung der Damen noch nicht, die doch schon reiten durften.
Eine Verschmelzung der verschiedenen Volksschichten gab es auch im
Vormaͤrz nicht. Die feine Gesellschaft beehrte wohl die Volksfeste, den
Schuͤtzenplatz in der Linienstraße und den Stralauer Fischzug — aber nur
von weitem, von den Balkonen des Schuͤtzenhauses oder von Treptow aus,
durch die ganze Breite der Spree vom Festplatz getrennt. Mitunter besuchte
auch der Hof das Volksfest, aber nur zu Schiff und ohne auszusteigen. In
den vierziger Jahren verkehrte die feinere Gesellschaft, der Adel, die Finanz
und die distinguierten Fremden im Krollschen
Sommergarten, wo auch Feuerwerke und aller—
lei rauschende Feste stattfanden. Die Ba—
ronin Willmar, die Frau des belgischen Ge—
sandten, war von all den Vergnuͤgungen, von
den Ausfluͤgen und den Schoͤnheiten Berlins
ganz entzuͤckt. Sie wohnte im Hause des
geadelten Finanziers Benecke von Groͤditzberg
Unter den Linden, fand es reizend, daß die
Haͤuser so geraͤumig waren, daß mehrere Par—
teien in ihnen wohnten und daß Berlin so viele
schoͤne Ausfluͤge bot. Sie schwaͤrmte von der
Umgebung. Wie eifrig die Damen damals sich
an den spaͤrlichen Reizen der Nachbarschaft
Berlins erfreuten, geht aus den Zeilen der