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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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mein einst war“ zu ihrem Lieblingslied er— 
waͤhlt hatte. Gutzkows Wally, die hoch zu 
Roß, an der Spitze eines ganzen Trupps 
von Anbetern sich sehen ließ, die alle Ringe, 
die ihre Courmacher ihr schenkten, an ihre 
Reitgerte steckte, unter der Langeweile der 
großen Dame litt, witzig, spielerisch und 
abweisend sich unterhielt, das Hasardspiel 
liebte, keinen Sinn fuͤr die Schoͤnheiten 
der Landschaft hatte, nicht das Ungluͤck 
anderer fuͤhlte und nicht selbst gluͤcklich 
werden konnte, weil sie nicht andere zu be— 
gluͤcken vermochte — diese Dame, die so 
ziemlich der Aristokratin Ida Hahn-Hahn glich, 
war auch im vormaͤrzlichen Berlin heimisch. 
— Die genialen Damen mit Madonnen— 
gesichtern, schillernden, launischen Augen, 
mit der Faͤhigkeit, sich gehen zu lassen und 
doch immer die Dame zu sein, die wie ein Mysterium von Flammen 
umzuͤngelt wird, die ein kaltes, unnahbares Goͤtzenbild bleibt. Scheinbar 
hat sie eine tiefe, nie zu ergruͤndende Seele. Aber das ist nur Seelenlosigkeit 
und der Wunsch, diese langweilende Seelenlosigkeit auszufuͤllen. 
Und ebenso wie die religioͤse Mystik 
dazu gebraucht wurde, ebenso wurden auch 
die weltlichen Freuden benutzt. Die Kultur— 
welt war fuͤnfundzwanzig Jahre lang durch 
Krieg und Kriegsgeschrei beunruhigt worden. 
Nun wollte sie leben und genießen. Wenn 
auch die Mittel knapp waren, so war die 
Lebenslust um so kraͤftiger. Sie kam ja 
auch in der weiblichen Kleidung zum Vor—⸗ 
schein, die mit der deutlichen Betonung 
der weiblichen Reize nicht kargte. Die 
Fuͤlle der Brust wurde durch bauschige 
Falten gestaͤrkt, die Taille durch festes Zu— 
sammenpressen schlanker und die Woͤlbung 
der Huͤften durch krinolinenfoͤrmige Roͤcke 
recht augenfaͤllig gemacht. Ganz be— 
stimmte lebensfreudige Zuͤge des Rokoko 
kehrten wieder. Das Heroische der klassischen 
—
	        
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