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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

146 — 
keit in seinem Stift gehabt, daß 
wir ihn doch auch einen Frauen⸗ 
maler nennen muͤssen, um 
den wir unsere Großvaͤter 
und Großmuͤtter beneiden 
koͤnnen. Mit einem feinen Ver⸗ 
staͤndnis fuͤr die persoͤnliche 
Linie jeder einzelnen Frau hat 
er uns eine Reihe von Por— 
traͤten hinterlassen, die alle 
Wesenszuͤge der Portraͤtierten 
und alle Reize ihrer Zeit uͤber— 
mitteln. (Siehe S. 31, 120, 126.) 
Immer tritt uns die Ge— 
schlossenheit der Mode jener 
Zeit entgegen. Prinzessinnen, 
Kuͤnstlerinnen, die Damen des 
vornehmen Buͤrgertums und 
die weiblichen Angehoͤrigen 
des Kleinbuͤrgerstandes — alle 
betonen ganz typische Mode— 
linien. Waͤhrend noch einige 
Jahre vorher der lose Haͤnger 
und die hochgeschnuͤrte Brust 
der klassischen Periode allein— 
herrschend gewesen war, hatte 
sich durch eine altertuͤmelnde 
Richtung im Anfange der 
zwanziger Jahre des neun— 
zehnten Jahrhunderts wieder die feste Taille, die Hervorhebung der 
besonderen weiblichen Linien durchgesetzt. Die Gretchentracht des Mittel— 
alters blieb in der romantisch empfindenden Zeit, als in allen Almanachen 
Rittergeschichten standen, nicht ohne Einfluß. Aber niemand ahmte 
sie stlavisch nach. Als Kruͤger seine Studien machte, waren die alter— 
tuͤmelnden Anklaͤnge kaum noch zu erkennen. Sie waren ganz in die ge— 
schlossene, allumfassende Grazie des Biedermeierischen Stils uͤbergegangen. Die 
fuͤrchterlichen hohen spanischen Kragen (S. 142) aber waren laͤngst einer kuͤnst— 
lerisch reizvolleren Freiheit des weiblichen Halses und der Schultern gewichen, 
und die Schlankheit der Taille schien durch mehr senkrechte Linien schmieg— 
samer, zierlicher und jugendlicher zu werden. Durch verschieden angeordnete 
Franz Krüger: Paul und Marie Taalioni.
	        
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