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Humboldt, Rauch, Schelling, Tieck,
Meyerbeer, Graf Redern — niemand
bersah die beruͤhmte, gefeierte Schrift—
stellerin. Jeder hatte ein Kompliment,
eine Liebenswuͤrdigkeit fuͤr sie, und
immer war sie inmitten einer Gruppe
zu finden, wie eine Sonne, in deren
Strahlen man sich waͤrmen wollte.
Ein besonders herzliches Verhaͤltnis
bestand zwischen ihr und der Prinzeß
Wilhelm, Tante des Koͤnigs, das so
innig war, daß man die Autorschaft der
Paalzowschen Romane sogar dieser
Prinzessin zuschricb.
Die Gefeierte hatte auch selbst
einen Salon in der Oranienburger
Straße am Monbijougarten. Sie war
sehr zeremonioͤs, sehr geziert, doch dabei Biedermeierglückwunsch.
nicht ohne Gemuͤt. Groß, schlank gewachsen, von schoͤnen Gesichtszuͤgen, hauchte
sie doch eine Kaͤlte aus, die froͤsteln machte. Ihr Gang war feierlich, ihre
Miene ernst, ihr Gespraͤch langsam und gemessen, ihre Attituͤde sogar thea—
tralisch. Dabei zeigte sie sich in einer gesucht malerischen und auffallenden
Kleidung; es schien, als ahme sie die aristokratischen, mittelalterlichen Hel—
dinnen ihrer Romane in allem Außerlichen nach, als gefalle sie sich, eine
Burgfrau zu repraͤsentieren, eine chatelaine in faltigem Sammetkleide mit
knapp anliegendem Oberkleid, dem Taͤschchen mit dem Bunde Schluͤsseln
an der Seite. In ihren Zimmern war alles gotisch, altdeutsch, als waͤren
Stuͤhle und Tische alten Schloͤssern entnommen, in denen einst ein Ritter
mit seiner Dame gehaust. Mittelalterliches Geschirr wurde praͤsentiert und
stand auf Konsolen und Tischchen und Nippes; ein Kruzifix stand zwischen
Statuetten und Buͤsten moderner Koryphaͤen; Olgemaͤlde aller Art, meist
Madonnen und Apostel, hingen an den Waͤnden. Ihr Arbeitszimmer war
ein Turmgemach mit einer Aussicht auf den kleinen Park des Schloͤßchens
Monbijou. Hier saß die Paalzow en grande robe, wie zum Empfang
vornehmer Gaͤste bereit, am Schreibtisch, der natuͤrlich gotisch war, und schrieb
alle Tage regelmaͤßig ein genau vorher bestimmtes Pensum. Sie hatte ihre
Arbeitsstunden als Dichterin, die so genau abgemessen waren, daß es nie eine
mehr oder eine weniger zu zaͤhlen gab. Schlug die bestimmte Zeit um Mittag,
so hatte die Paalzow sicherlich auch ihr Pensum fertig, und keine Gewalt der
Erde war faͤhig, sie zu bewegen, die Feder wieder im Verlauf des Tages in