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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

der Zunft in die Haͤnde geben, sondern 
unentweiht auch auf eine romantische 
Art in die Welt senden, beschaͤftigte sie 
sich am Ende ihres Lebens selbst mit der 
Herausgabe der Gesamtwerke ihres ver— 
storbenen Gatten in eigenem Verlag. 
Sie scheute sich nicht, den Kampf mit 
der sie anklagenden Buchhaͤndlerkor— 
korporation zu bestehen; sie bezahlte die 
Geldbuße, zu der sie verurteilt wurde, 
weil sie mit Buͤchern handelte; aber sie 
raͤchte sich damit, daß sie Buchhaͤndler 
wurde und dann die Firma „von Ar— 
nims Verlag“ gruͤndete. 
Sie schuͤttelte Briefe aus dem 
Armel, gab das Beste in Reden und 
Briefen, erwartete rauschenden Beifall 
von denen, zu denen sie sprach und 
wollte unmittelbar wirken. Der brutale Widerstand der rauhen Wirklichkeit 
schreckte sie, sic fluͤchtete in das Reich der Phantasie, wo ihre Hoffnungen 
leichter zu ungestoͤrten Gebilden wurden. Trotz weiblicher Gefallsucht besaß 
sie eine fast maͤnnliche Entschiedenheit. Sie war und blieb stets frei, unab— 
haͤngig und gaͤnzlich unaristokratisch in Rede und Tun und allen Bedraͤngten 
und Bedruͤckten eine unerschrockene, nimmermuͤde Fuͤrsprecherin. Trotzdem 
sie jahrzehntelang der aristokratischen Gesellschaft angehoͤrte, wurde sie ein 
immer lauterer Anwalt freiheitlicher Forderungen. Im Jahre 1840 trat 
sie fuͤr die Berufung der Bruͤder Grimm ein, die in Goͤttingen ihrer Professur 
beraubt worden waren. Sie sagte einmal: Ein guter Koͤnig muͤsse sich selber 
uͤberall Schach bieten, und ein richtiger Koͤnig muͤsse sagen koͤnnen: „Ich will 
mich geirrt haben“. Nach Varnhagen forderte sie in einem Brief an Friedrich 
Wilhelm JIV. die Konstitution. Sie erklaͤrte in ihrem Werke: Dies „Buch 
gehoͤrt dem Koͤnig“ die Hofleute und die Bureaukraten fuͤr die schlimmste Gefahr 
nicht bloß gegen die Freiheit des Volkes, sondern auch gegen die Selbstaͤndig⸗ 
keit der Herrscher. „Ihr Zusammenhalten, ihr strammes Verweilen beim 
Koͤnig, ihr Zuruͤckschieben des Volkes, das ist die große „Larifariverschwoͤrung“. 
Sie wirkte auch gern auf juͤngere Leute ein, so auf A. Stahr. Gegen die 
Religion hatte sie nichts, aber gegen Prediger und Inquisition, gegen die 
im Namen der Religion veruͤbten Greuel, gegen das Außerliche, das das 
Innerliche der Religion uͤberwuchert. Sie verlangte vom Staat, daß er 
die Armen, Elenden und Unwissenden nicht strafe, sondern durch Erziehung 
Sophie Löwe.
	        
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