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Die Damen Schrödter um 1830. Wie die Berliner zwei Taler mit Gewalt loswerden

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

daß sie mehr in der Phantasie als in der Wirklichkeit lebte, daß ihr das Leben 
oft genug zur Dichtung wurde, wie so vielen Romantikern. Goethe hatte 
sie wohl eher begriffen; er fuͤhrte ihre Launenhaftigkeit auf ihre Abstmmung 
voon einem italienischen Vater und einer deutschen Mutter zuruͤck. Ihr fort— 
waͤhrendes Schwanken brachte ihr viel Ungelegenheiten — die aber mehr 
ihren Grund in der Verstaͤndnislosigkeit der nuͤchternen und moralisierenden 
Freunde Bettinas gehabt haben duͤrften, als im Wesen der Schwester des 
Llemens Brentano. 
Schmidt-Weißenfels schilderte sie in seinem Buche „Die Stadt der 
Intelligenz“ als ein altes verschrumpftes Muͤtterchen in fast liederlichem Auf— 
zuge, dem aber noch der romantische Geist aus den Augen gluͤhte und aus dem 
Munde sprudelte. So wirkte sie, die in der Wirklichkeit wie eine Fremde 
lebte und doch mehr Wirklichkeitssinn als viele andere besaß — sie sah 
schaͤrfer als die Berufenen das Elend gewisser Volksschichten. Buͤrgerlichem 
Formalismus mußte sie ein Raͤtselwesen sein. Schon ihre von feiner 
poetischer Scham durchwehte Hochzeit erschien den Buͤrgern absonderlich. 
Durch ihren, nach heiliger Glorie strebenden Bruder Clemens Brentano lernte 
sie dessen Freund Achim von Arnim in Berlin kennen. Sie wurde von ihm 
in die Salons gefuͤhrt und lachte, als man die Nase ruͤmpfte, weil sie ungeniert 
ihr Bein uͤber den Stuhl legte. Von allen Streichen, die ihrer Ehe voraus— 
gingen, waren die Vorbereitungen zur Hochzeit wohl die seltsamsten; denn 
das Brautpaar der Romantik hatte nichts weniger zu besorgen vergessen, als 
das Aufgebot, das Bett und eine Wohnung. Arnim starb schon 1831 und 
hinterließ der Witwe zwei Toͤchter. Die eine, Ghisela, heiratete Hermann 
Grimm — aͤhnlich so, wie ihre Mutter sich verheiratet hatte. Jeder kam allein 
in die Kirche, wo sie getraut wurden, jeder fuhr dann allein nach seiner eigenen 
Wohnung. 
War Bettina krank, so machte sie sich Schattenspiele von Pappdeckeln, bei 
denen die Katze und die Ritter die Hauptrollen spielten. Kam der erste Lenz 
ins Land, so ging sie Veilchen suchen und botanisieren, fuhr mit zwei Pferden, 
spazierte in die Gemuͤsefelder und half dem Gaͤrtner alles nach der Schnur 
pflanzen. Plagte sie Langeweile, so stand ihr das Kammermaͤdchen Modell 
zu den drolligsten, phantastischsten Figuren, die sie so kratzfuͤßig hinzeichnete, 
wie E. T. A. Hoffmann seine Teufel und Kater, um sie dann, die nackten Hexen, 
den Herren Studiosen zu zeigen, die sie oft besuchten. Ungluͤckliche Armut 
und Bedraͤngnis klopfte nie vergebens an ihre Tuͤr, noch weniger 
an ihr Herz; auch hier suchte sie gern Romantik zu pirschen und aus den Hoͤhlen 
des Elends jammervolle Gestalten zu ziehen, gleichviel ob Juden, Tuͤrken 
oder Christen, denen sie dann weit uͤber ihre Kraͤfte half. Und als wollte sie 
die Schoͤpfungen der Romantik, die ihr gehoͤrten, nicht dem Materialismus
	        
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