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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Armut gemacht wurden. Ihr kam es allein darauf an, daß ein Mensch der 
Hilfe bedurfte. 
So war sie denn auch nur fuͤr den Krieg, um aus der ungluͤcklichen zwei— 
deutigen Haltung heraus zu kommen. Mommsen schreibt von ihr: „Sonst 
hatte sie niemals mitregiert; ihr ganzes Wesen und Sein, ihr Lieben und 
Leiden war das einer Frau. Sie hatte nichts Besonderes und Abnormes 
an sich, und eben daher war sie das Bild vollendeter Weiblichkeit. Eine unter 
vielen und doch die einzige unter allen. Und jetzt. Sie sah schaͤrfer als alle, 
richtiger als die meisten Maͤnner ihrer Umgebung. Mit unfehlbarer Sicherheit 
erkannte sie den Wert eines Bluͤcher, eines Stein. Niemals hat sie an 
Napoleons Sturz gezweifelt.“ 
Nur widerwillig ließ sie sich dazu herbei, Napoleon persoͤnlich gegenuͤber 
zu treten. Seine Talente bewunderte sie, aber seinen Charakter, den sie fuͤr 
hinterlistig hielt, liebte sie nicht. Sie erkannte, daß Preußen auf den Lorbeeren 
Friedrichs II. eingeschlafen und nicht fortgeschritten war. Sie war es, die eine 
Reorganisation des Staates am eifrigsten befuͤrwortete, ihre gebeugte Um— 
gebung und den Koͤnig aufrichtete. Sie wollte das Nationalbewußtsein 
staͤrken und eine neue Erziehung einfuͤhren. Und um deswillen, und weil sie 
im Ungluͤck sich noch schlichter als fruͤher gab, ein ganz einfaches buͤrgerliches, 
von allem aͤußeren Schmuck entbloͤßtes Hauswesen fuͤhrte, wurde ihr fruͤher 
Tod als ein allgemeines Ungluͤck empfunden. Sie wurde zu einem Vorbild. 
Und es gab wohl fast ein Jahrhundert lang kaum eine norddeutsche Familie, 
in deren Wohnung nicht ein Bild der Koͤnigin Luise an der Wand hing. 
Wir Nachkommen vermoͤgen uns keine rechte Vorstellung von den 
schweren Pruͤfungen zu machen, denen damals das deutsche Volk ausgesetzt 
war. Aber es muß hart gewesen sein, was den Menschen auferlegt wurde; 
sonst waͤren aus den Frohherzigen und Leichtsinnigen vom Ende des 18. Jahr— 
hunderts keine solchen strengen Patrioten geworden, wie sie die napoleonischen 
Kriege hervorbrachten. 
Die Damen sahen im Oktober 1806 dem anruͤckenden Feind mit ge— 
mischten Gefuͤhlen entgegen. Zwar wurde nach Paris berichtet, das viele 
Beifall erflehende Damen dem Einzug der Sieger beigewohnt. Aber Raumer, 
der den Einzug mit angesehen hat, erklaͤrt das fuͤr durchaus unwahr. Bassewitz 
berichtet, es habe unter den Neugierigen große Stille geherrscht, und die 
gedungenen Jungen aus dem Poͤbel haͤtten mit ihrem Ruf keinen Anklang 
gefunden. Hierzu stimmt, was Sophie Schwerin einige Monate spaͤter an 
ihren Gatten schreibt: 
„Noch hoͤre ich die Pferde jener ersten Chasseurs vorbeitraben, noch 
sehe ich, wie mein Vater sich in diesem Augenblick erschoͤpft in den Stuhl warf 
und umsonst sich zu fassen suchte. — Zu dem Anblick selbst konnte ich mich
	        
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