einer wohlhabenden Buͤrgersfrau. In der Naͤhe eines Klaviers stand ein Schreib⸗
tisch. Am Fenster stand ein Stickrahmen. Irgendwo standen eine Vase
mit Kornblumen, ein Tisch mit Buͤchern (Luise las mit Vorliebe Aug. Lafontaͤne
und andere Idylliker!) und eine große, gruͤnumhangene Wiege auf einem
Mahagonigestell. Das war ein richtiges buͤrgerliches Wohnzimmer. Das
entsprach ganz und gar dem Wesen der aus einem einfachen fuͤrstlichen Hause
stammenden Koͤnigin. Das entsprach auch einem ganz bestimmten Zuge
der Zeit. Sie feierte zwei neue Typen nebeneinander: die geistreiche Salon—
dame und die buͤrgerliche, hausfrauliche Mutter. Die Salons wurden
Sammelpunkt der Geister. Die geistig begabten Frauen offenbarten ihre
Originalitaͤt und wurden die Seelen-Freundinnen großer Maͤnner. Beiden
war es zum Bewußtsein gekommen, daß der Mensch des Menschen groͤßtes
Beduͤrfnis sei, und sie suchten im Austausch der Gedanken den hoͤchsten Genuß.
Aber zwischen den Geschlechtern wurde das oft zu einem sinnlich mystischen
Taumel romantischer Gefuͤhlsschwelgerei. Und nachdem die Frau die
Freundin des Mannes geworden, fuͤhrten sie die Propheten neuer Menschen—⸗
erziehung (Rousseau, Pestalozzi) zur
neuen Muͤtterlichkeit. Sie war nun nicht
mehr nur die bloße Koͤchin, Amme und
Krankenpflegerin, sondern hatte einen
—
men. Sie konnte ihren Kindern eine Er—
zieherin werden, den Erwachsenen eine
Kameradin sein und das Familienleben
und die Geselligkeit auf eine neue Stufe
heben. Das Leben wurde buͤrgerlicher,
geistiger, freier, waͤrmer. Und der Koͤnigin
Luise gereicht es zum Ruhm, eine vor—
bildliche Gattin und Mutter gewesen zu
sein — in einer Zeit, als am leichtfertigen
Hof Ehrbarkeit zu den seltensten Tugenden
gehoͤrte. In der buͤrgerlichen Gesellschaft,
die schon laͤngst reif war fuͤr ein neues,
dyllisches und wuͤrdevolles Familien—
lieben, wurde Luisens Anmut und Milde,
Reinheit und Schlichtheit bewundert (siehe
auch Bild S. 108). Wie stark das reine und
edle Wesen der jungen Koͤnigin wirkte,
—
keinen politischen, aber haͤuslichen Wirkungs—
Chodowiecki: Häusliches Glück.