Path:
Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

einer wohlhabenden Buͤrgersfrau. In der Naͤhe eines Klaviers stand ein Schreib⸗ 
tisch. Am Fenster stand ein Stickrahmen. Irgendwo standen eine Vase 
mit Kornblumen, ein Tisch mit Buͤchern (Luise las mit Vorliebe Aug. Lafontaͤne 
und andere Idylliker!) und eine große, gruͤnumhangene Wiege auf einem 
Mahagonigestell. Das war ein richtiges buͤrgerliches Wohnzimmer. Das 
entsprach ganz und gar dem Wesen der aus einem einfachen fuͤrstlichen Hause 
stammenden Koͤnigin. Das entsprach auch einem ganz bestimmten Zuge 
der Zeit. Sie feierte zwei neue Typen nebeneinander: die geistreiche Salon— 
dame und die buͤrgerliche, hausfrauliche Mutter. Die Salons wurden 
Sammelpunkt der Geister. Die geistig begabten Frauen offenbarten ihre 
Originalitaͤt und wurden die Seelen-Freundinnen großer Maͤnner. Beiden 
war es zum Bewußtsein gekommen, daß der Mensch des Menschen groͤßtes 
Beduͤrfnis sei, und sie suchten im Austausch der Gedanken den hoͤchsten Genuß. 
Aber zwischen den Geschlechtern wurde das oft zu einem sinnlich mystischen 
Taumel romantischer Gefuͤhlsschwelgerei. Und nachdem die Frau die 
Freundin des Mannes geworden, fuͤhrten sie die Propheten neuer Menschen—⸗ 
erziehung (Rousseau, Pestalozzi) zur 
neuen Muͤtterlichkeit. Sie war nun nicht 
mehr nur die bloße Koͤchin, Amme und 
Krankenpflegerin, sondern hatte einen 
— 
men. Sie konnte ihren Kindern eine Er— 
zieherin werden, den Erwachsenen eine 
Kameradin sein und das Familienleben 
und die Geselligkeit auf eine neue Stufe 
heben. Das Leben wurde buͤrgerlicher, 
geistiger, freier, waͤrmer. Und der Koͤnigin 
Luise gereicht es zum Ruhm, eine vor— 
bildliche Gattin und Mutter gewesen zu 
sein — in einer Zeit, als am leichtfertigen 
Hof Ehrbarkeit zu den seltensten Tugenden 
gehoͤrte. In der buͤrgerlichen Gesellschaft, 
die schon laͤngst reif war fuͤr ein neues, 
dyllisches und wuͤrdevolles Familien— 
lieben, wurde Luisens Anmut und Milde, 
Reinheit und Schlichtheit bewundert (siehe 
auch Bild S. 108). Wie stark das reine und 
edle Wesen der jungen Koͤnigin wirkte, 
— 
keinen politischen, aber haͤuslichen Wirkungs— 
Chodowiecki: Häusliches Glück.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.