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Parthie unter den Linden im Jahre 1745

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

Reich erwerben — und wird vielleicht auch als Lichtbringerin geliebt werden. 
Ist sie doch seit Jahrhunderten bemuͤht, Licht ins deutsche Geistesleben hinein— 
zutragen. Von Lessing und Humboldt an duͤrfen wir bis auf unsere Tage 
viele Maͤnner nennen, die in Berlin an der Entwicklung der Geister ihre 
Lebenskraft gewendet haben. Vorher haben allerdings nur die hoͤfischen 
Kreise sich ernsthaft geistig beschaͤftigt. Friedrich II. und Voltaire, Sophie 
Charlotte und Leibniz aber hatten keine allzu große Liebe fuͤr die verhaͤltnis⸗ 
maͤßig arme Stadt, die zwischen Sand und Sumpf lag und deren wertvollster 
Schmuck der damals noch recht sumpfige Tiergarten war. 
Waͤhrend die Stadt doch einmal eine Zeit hatte, wo ihr eine gewisse 
bauliche Schoͤnheit nachgeruͤhmt wurde — als sie naͤmlich im Westen beim 
Leipziger, im Osten beim Landsberger, im Norden beim Oranienburger und 
im Suͤden beim Halleschen Tor aufhoͤrte (ehemals fast alles Gebaͤude, die 
einen reizenden und gediegenen architektonischen Stil ihr eigen nannten), 
wurden den Bewohnern der Stadt nie viel ruͤhmenswerte Eigenschaften 
nachgesagt. Geliebt wurden sie 
wegen dieser Eigenschaften jeden⸗ 
falls nicht. Und ihren Ftauen, 
den Berlinerinnen, ging es nicht 
besser. Selten haͤben die Be— 
wohnerinnen einer Stadt soviel 
Veraͤchtlicheg, Schmaͤhendes, 
Herabsetzendes und Verkleinern 
des zu hoͤren bekommen. 
Ganz so heftig wie einst 
wird die Berlinerin nur noch 
selten gescholten. Ja, es gibt so— 
gar schon Berichterstatter und 
Reisende, die ihr Lebensfreude, 
Herzensguͤte, Mutterwitz und 
noch manche andere liebenswerte 
Kigenschaften zugestehen, die 
bekunden, daß sie mehr loͤbliche 
Wesenszuͤge besitze als nur ihre 
große Saͤchlichkeit, ihre Hilfs— 
bereitschaft und ihr Organi— 
sationstalent. Eins scheint ihr 
allerdings bisher nur in kleinem 
Maße zu eigen geworden: Die 
Kunst, sich in Szene zu setzen. 
Hosemann: Putzmacherin.
	        
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