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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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großes Haus, in zehrt worden und 
dem manche jun— hatten in ihnen eine 
gen Aristokraten so gluͤckliche Misch— 
oerkehrten, um ung ihres Rasse— 
Kredit beim Haus— intellekts und ihres 
herrn zu bekom— weiblichen Ge⸗ 
men. Dann aber fuͤhlslebens zur 
waren die Fruͤchte Reife gebracht, 
des neuen geistigen daß die Juͤdinnen 
Aufschwungs in wohl die Elite der 
Deutschland von Jugend anlocken 
den Juͤdinnen so und fesseln mußten. 
heißhungrig ver— Mischehen waren 
damals vielleicht haͤufiger als jetzt. Aber es wurde kein Wesen davon 
gemacht. Das waren natuͤrliche Dinge, uͤber die sich kein Mensch aufregte — 
der beste Beweis, daß die Juden in Berlin schon laͤngst in Wirklichkeit einen 
Rang einnahmen, den sie politisch erst viele Jahre spaͤter erreichten. Marianne 
Meyer, Tochter eines juͤdischen Kaufmanns, ward in morganatischer Ehe die 
Frau des Fuͤrsten Reuß, des damaligen oͤsterreichischen Gesandten, nach 
dessen Tode der Kaiser sie zur Frau von Eybenberg machte; ihre Schwester 
heiratete einen Herrn von Grotthuis. Zwei Toͤchter des reichen Moses Isaac 
waren zum Christentum uͤbergetreten, und die eine hatte den Leutnant Kunkel, 
die andere den Kammerassessor von Bonn geheiratet. Die Anziehungskraft 
der Juͤdinnen muß also wohl alle noch bestehenden Vorurteile uͤberwunden 
haben. 
Ein ganz Neues aber war in den Kulturkreis jener Zeit getreten: das 
Ideal der luxurioͤsen und leichtsinnigen Dame vornehmster Herkunft war 
stark verblaßt. Lessings Dame, die als Witwe in Minna von Barnhelm auf— 
trat, folgten die „schoͤnen Seelen“, die Goethe in Wilhelm Meister gezeichnet: 
edel, empfindsam, unterrichtet, scheu und doch voller Freundschaft fuͤr strebende 
Maͤnner und Juͤnglinge. Ihre Hilfsbereitschaft ist nicht die alte, die sich mit 
Geld loskaufte vom Leidenden. Sie helfen mit eigener Hand, spuͤren in ihren 
Schraͤnken und in denen der Freunde nach Kleidung fuͤr die Darbenden. 
Dabei sind sie in mimosenhafter Zartheit fast unfaͤhig, das eigene Gluͤck zu 
umfangen. Sie leiden zwar unter dieser Überfeinerung, unter dieser Tyrannei 
ihrer eigenen „Haltung“, aber sie behalten ihre Heiterkeit und ihr offenes 
Herz fuͤr die andern Menschen. 
Das gerade machte sie so unwiderstehlich anziehend auf feiner organisierte 
Maͤnner. Von einer wirklich geheimen Anziehungskraft muß die feurige 
Seele der Rahel Levin gewesen sein, die wohl zu dem neuen Typus der
	        
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