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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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wurde die schoͤne gebildete Juͤdin, die frei und vornehm auftrat, angestaunt. 
Dieser Berlinischen Juͤdin blieb es vorbehalten, in der Stadt der behaglichen 
Uppigkeit und roher Vorurteile neue Gesinnungen auszusaͤen, die denn auch 
— 
Von den seelischen Zustaͤnden der jungen gesellschaftlichen Kreise Berlins 
spricht die Gruͤndung eines geheimen Tugendbundes durch Henriette 
Hertz, in den nach angemessener Pruͤfungszeit W. von Humboldt, Caroline 
von Dacheroͤden, seine spaͤtere Gattin, Karoline von Beulwitz, Schillers spaͤtere 
Schwaͤgerin und andere Bevorzugte aufgenommen wurden. Der Zweck 
dieser Loge war (nach Humboldts Worten) „Begluͤckung durch Liebe. Weil 
der Grad des Gluͤckes wahrer Liebe immer im genauesten Verhaͤltnis mit 
dem Grade der moralischen Vollkommenheit der Liebenden steht, so ist 
moralische Bildung das, wonach jeder Verbuͤndete am eifrigsten strebt. Die 
Verbuͤndeten hatten alle Schranken des bloß konventionellen Wohlanstandes 
untereinander aufgehoben. Sie genießen jede Freude, die nicht mit dem 
Verlust hoͤherer Freuden erkauft ist. — Die Bundesmitglieder nannten sich 
„du“, schrieben einander lange, vertrauliche Briefe, zuweilen in fremder 
Sprache oder mit griechischen oder hebraͤischen Lettern —: einige diplomatische 
Vorsichtsmaßregeln waren schon in Ruͤcksicht auf Henriettens Gatten 
geboten — Briefe, in denen sie einander ihre moralische Entwicklung aus— 
einander setzten, von ihren tiefsten Empfindungen Rechenschaft gaben, ihre 
gegenseitige Ergaͤnzung untersuchten. 
In dieser Gemeinschaft von Schwaͤrmern, wo die Mitteilung der deli— 
katesten Gefuͤhle und das Schwelgen in taͤndelnder Selbstbetrachtung ebenso 
eifrig betrieben wurde wie der Austausch von Schattenrissen und Ringen, 
kuͤßten verheiratete und ledige Maͤnner und Frauen durcheinander bald den, 
bald jene! Schiller, Goethe, Jean Paul — alle stellten sich ja damals außerhalb 
der allgemeinen Ehegesetze. Wollte doch Schiller durchaus seine Schwaͤgerin 
Karoline von Beulwitz in seinen Herzensbund mit hineinnehmen. Die Auf— 
fassung von der Ehe und die Lage der Frauen brauchte wahrscheinlich eine 
Erhoͤhung und Erneuerung. Und so war es natuͤrlich, daß auch die Berliner 
intellektuellen und genialischen Kreise nicht die Mitglieder anderer Kreise an 
Ungebundenheit und Impulsivitaͤt hinter sich ließen. Es war die Zeit eines 
literarischen Uberschwangs des Empfindens, wo das Gefuͤhl alles galt. Solche 
Zeiten bringen stets aͤhnliche Situationen hervor. Wir haben erst vor kurzem 
eine solche Zeit erlebt. In der Neuen Gemeinschaft kam es vor einigen 
Jahren zu aͤhnlichen Verbindungen, die allerdings nicht alle gluͤcklich endeten. 
Daß die gebildetsten und bedeutendsten Maͤnner und deren Schwestern 
und Frauen schon damals mit den Juͤdinnen in so intime Beziehungen traten, 
hatte manche Gruͤnde. Die Juden waren reich geworden und machten ein
	        
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