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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

haͤngigkeit, die Energie, der Geist und die taktvolle Humanitaͤt der Herzogin 
dazu, um nicht an dem Unternehmen zu scheitern.“ 
Sie hat denn auch reichlich Verdruß mit der Durchfuͤhrung des Salons 
gehabt. Und zwar vornehmlich durch die vornehmen Damen. Die Juͤdinnen, 
die sich erst gescheut hatten, wurden bald heimisch in dem Kreis, der ihnen 
uͤberdies nicht ganz unvertraut war. Wohl hatten die adligen Damen ganz 
exklusiv fuͤr sich gelebt. Aber die Kavaliere waren hingegangen, wo sie sich 
amuͤsierten. Sogar die Prinzen waren bei schoͤnen und geistreichen Juͤdinnen 
zu finden. Nun trafen die Damen der großen Welt nicht nur mit Gelehrten, 
Kuͤnstlern und Dichtern zusammen, sondern auch mit den Frauen, um die sich 
seit Jahren schon die geistige Elite der Stadt zu sammeln pflegte. Bald 
stellte sich ein wirklich freundlicher Ton zwischen den verschiedenen Elementen 
ein — dank dem anmutigen verbindlichen Wesen der fuͤrstlichen Wirtin, 
die es verstand, Gegensaͤtze zu uͤberbruͤckken. Man speiste des Abends an ver— 
schiedenen Tischen, und es herrschte voͤllige Zwanglosigkeit der Plaͤtze, 
die die Gaͤste einnehmen wollten. Aber mit großer Feinheit wußte 
die Herzogin doch auch hier eine ihr erwuͤnschte Mischung zu bewirken. „So 
erinnere ich mich“, schreibt Henriette Hertz, „oͤfter meinen Platz am Tische neben 
der liebenswuͤrdigen Prinzessin Louise von Preußen, Gemahlin des Fuͤrsten 
Radziwill, gehabt zu haben.“ 
Diese Frauen sind einander besonders naͤher gekommen durch die gemein— 
same Begeisterung fuͤr Goethe. Die Juͤdinnen, die fast ausnahmslos den unter 
Friedrich II. reichgewordenen Familien entstammten, fuͤhrten alle eine 
Lebensweise, die sie aus der Enge der juͤdischen Familien hinaushob. Moses 
Mendelssohn hatte schon die strenge Tradition des talmudistischen Judentums 
gebrochen. Er hatte seinen Stammesgenossen die deutsche Literatur zu— 
gaͤnglich gemacht und auch deutschen Schulunterricht eingefuͤhrt. Die lebhaften 
jungen Juͤdinnen, deren Maͤnner den ganzen Tag uͤber im Kontor saßen, 
arbeiteten sich in ihren Mußestunden in die literarischen Neuerscheinungen 
ein — und zwar mit jener Leidenschaft und Hingabe, die den Juͤdinnen stets 
eigen. So kam es, daß sie wirklich von dem neuen Geist uͤberwaͤltigt wurden. 
—— 
junge Dichter H. Chr. Loie uͤber eine Berliner Abendgesellschaft: „Ich fand 
ein paar sehr artige Juͤdinnen da, die mit Verstand und Geschmack von unserer 
Literatur redeten. Wenn ich hier laͤnger waͤre, ich wuͤrde oft in juͤdischen 
Gesellschaften sein, und ich muß sagen, daß ich den steifen ungesellschaftlichen 
Zwang fast noch weniger hier finde, als in den anderen Gesellschaften.“ 
Diese Juͤdinnen waren meist als halbe Kinder von ihren Vaͤtern an 
aͤltere Maͤnner vermaͤhlt worden, ohne daß man sie nach ihrer Neigung oder 
Abneigung gefragt haͤtte. Trotz ihrer geistigen Regsamkeit blieben eben
	        
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