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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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waren auch damals eifrig am Werke. In Zeitschriften und Pamphleten wurde 
die Begeisterung, die gewiß viel Überschwengliches an sich hatte, laͤcherlich 
gemacht. Kotzebue war darin besonders eifrig. Von einem solchen Gegner 
der Romantik stammen die folgenden Verse: 
Sie muͤssen es glauben, besonders die Damen, 
Die sollen mich auf dem Katheder sehen, 
Mich preisen und kein Wort verstehn. 
Die werden haufenweise zu mir rennen 
Mit Cicisbeen und Ridikuͤlen, 
Ein Stuͤndchen sitzen auf meinen Stuͤhlen, 
Damit sie nachher sagen koͤnnen: 
Als das Kollegium ward gelesen, 
Bin ich auch ein paarmal dagewesen. 
Und waͤhrend ich strickte an meinen Struͤmpfen, 
Habe ich lernen auf Wieland schimpfen 
Und die Goͤttinger verunglimpfen 
Und uͤber Virgil die Nase ruͤmpfen; 
Die ganze Asthetik in einer Nuß 
Kostet mich nur zwei Friedrichsdor. 
Dabei habe ich meinen schoͤnen Fuß 
Gezeigt der ganzen Versammlung vor, 
Und mein elegantes Negligee 
Ist auch nebenher bewundert worden. 
Was nun gedruckt wird in Suͤden und Norden 
Das kritisier' ich an der Spree 
Nach dem echten kritischen Maßstab, 
Bei dem es immer sehr viel Spaß gab!“ 
Nicht ganz ohne Grund wurde diese einseitige literarische Liebhaberei 
angegriffen. Die Damen jener Epoche gingen ganz und gar in Gefuͤhls— 
schwaͤrmerei auf. Friedrich Schlegels Roman Lucinde ist ein Kronzeuge 
dafuͤr. Allerdings ist er auch eine Bekenntnisschrift so unerschrockener Art, 
vie sie selten vom Sittenleben einer Zeit kuͤndet. Die Frauen, von denen 
Schlegel schreibt, gingen ihren wahrhaftigen Trieben nach. Sie lebten zweifel— 
los in einer hoͤheren Sittlichkeit als viele Selbstgerechte. Und wenn Schlegel 
von so vielen Irrungen und Wirrungen in Herzensangelegenheiten und 
Geschlechtsbeziehungen schreiben konnte, so hat er nur das geschildert, was 
zu jeder Zeit immer wieder durchlebt wird. Nur daß es zum Motio eines 
Kunstwerkes werden konnte, weist vielleicht auf eine stark erotische Faͤrbung 
der Zeit hin — kuͤndet von der Übermacht der Erotik. Die erotische Mode der 
Nacktheit hatte ja auch die Berliner Damenwelt in ihre leichten durchsichtigen
	        
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