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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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nennt, ihretwegen den Ausdruck „Schoͤnes Kind“ erfunden haben wuͤrde, 
wenn ihn die Sprache nicht schon gehabt haͤtte.“ Im Schauspiel war eine 
ihrer ersten Rollen die Marianne in Goethes „Geschwister“, neben Fleck 
als Wilhelm. In der Oper sang sie zunaͤchst noch die Rosine im „Barbier von 
Sevilla“, worin ihr Mann den Figaro sang, und die Constanze in der ersten 
zur Auffuͤhrung kommenden Oper Mozarts, in welcher Lippert den Belmonte, 
der viel geruͤhmte Frankenberg Osmin und die Baranius Blondchen sangen. 
Nicht immer hatte sie solche schoͤne Aufgaben zu loͤsen. Von den neuen General— 
direktoren, den Gymnasialprofessoren Engel und Ramler waren Kotzebue 
und andere Fabrikanten von Ruͤhrstuͤcken auf die Buͤhne des Nationaltheaters 
gebracht worden. Doch konnten sie nicht den großen Schauspielstil ver— 
derben, der sich unter Flecks und Ifflands Einfluß erhielt und auf ein groß— 
artiges Zusammenspiel und auf Schlichtheit und Natuͤrlichkeit hinausging. 
Vor allen andern besaß die Unzelmann die groͤßte Gunst der Berliner Theater— 
freunde. Gubitz, der oft bei ihr verkehrte, erzaͤhlte von ihr, daß sie viel Ver— 
staͤndnis und Geschmack fuͤr das Außere der Frau hatte. Sie beherrschte die 
Frauenkleidung mit solcher Macht, daß selbst die Koͤnigin Luise sich oft Rat 
in Toilettesachen bei ihr holte. Dabei war sie selbst der groͤßten Prunklosigkeit 
ergeben und verstand im einfachsten Kattunkleid schoͤn zu sein. Sie gab sich 
auch den Zeitstroͤmungen mit aller Gewalt hin und war eine große, ehrlich 
preußische Patriotin, die so erregt werden konnte, daß sie handgreiflich an 
Gubitz wurde, als er sie verspottete fuͤr ihre Absicht, sich an die Spitze eines 
Amazonenregiments zu setzen und gegen die Franzosen zu ziehen. Ihre 
Reizbarkeit machte sich bei jeder Gelegenheit geltend. Und wenn sie eine 
neue Rolle spielen sollte oder bei einem Konzert ein Gedicht aufzusagen 
hatte, konnte sie zittern und schwanken beim Auftreten wie eine Anfaͤngerin. 
War die neueste Darstellung voruͤber, dann konnte sie allerdings munter und 
mutwillig rufen: „Ach, warum kann ich nicht gleich nochmals spielen! Jetzt 
koͤnnt ich's viel besser.“ 
Daß sie frei war von jeder buͤrgerlichen Gebundenheit und urspruͤnglich 
und unbefangen auch in den ernstesten Zeiten blieb, bewies sie, als 1814 
Bethmann ins Bad reiste. Da kam sie auf den Einfall, waͤhrend der Abwesen— 
— 
taͤglich zum Mittagessen einzuladen. Außer ihm nahmen ihre Freundin, 
Frau Liepmann und manchmal auch Gubitz an diesen Mahlzeiten teil, die den 
abenteuerlichen Jugenderinnerungen gewidmet waren und wo sie mit 
Genugtuung feststellte, ihr Stiefvater, Großmann, habe sie so hart behandelt, 
daß sie wohl Grund hatte, sich von Unzelmann entfuͤhren zu lassen. 
Sie hat noch manche romantischen Erlebnisse gehabt. Gubitz sah sie 
einmal im Tiergarten, wie sie, ganz in Weiß gekleidet, bittend und beschwoͤrend
	        
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