Edi
Zorn der herrschenden Mächte und ihrer Schleppen:
träger an jenem Tage aus, an dem die „Impietäten“
des stets liebenswürdig devoten Varnhagen von Ense
aus ihrem Hinterhalt hervorbrechen würden. Einen
Augenblick kam ihm der Gedanke, diesen klugen
jungen Menschen da vor ihm einzuweihen in das
Geheimnis, das nur Alexander von Humboldt mit
ihm teilte. Doch da öffnete sich die Tür, und Lud-
milla, ein Spitzenschürzchen hausmütterlich kokett
über dem braunen Rocke, brachte auf silbernem
Tablett einen Imbiß.
Es wurde in leichtem Tone geplaudert, bis
Lassalle den Geheimrat um die Rückgabe des Briefes
bat, den Heine ihm einst aus Paris als Empfehlung
an den Berliner Freund mitgegeben hatte.
Der Geheimrat lächelte, doch die Finger, die
nervös an dem Eisernen Kreuze zupften, das er sich
1813 erworben hatte und stets im Knopfloche trug,
verrieten, wie peinlich ihm dieses Verlangen war.
„Ich würde diese Bitte nicht wagen,‘ erläuterte
Lassalle, „wenn ich nicht wüßte, daß Ihre Heine
briefe ein stattliches Konvolut darstellen.“
„Gewiß, gewiß,“ lächelte Varnhagen.
Da schmeichelte auch Ludmilla: „Gib ihn doch
heraus, Onkelchen. Dir bleiben ja noch so viele.“
„Liegt Ihnen denn so sehr viel an dem Brief ?“
fragte der Greis unschlüssig.
„Ungeheuer viel, Herr Geheimrat. Heine hat
später, wie Sie wissen, sehr schlecht von mir und
meiner Familie gesprochen. Er behauptet, mein
Schwager Friedland, mein Vater und ich hätten ihn
betrügen wollen und zu einer verfehlten Spekulation
in Aktien der Prager Gasgesellschaft verleitet. Na-
türlich haben wir dem kranken Manne lediglich seine