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IV.

Full text: Lassalle / Schirokauer, Alfred (Public Domain)

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Lassalle blickte sich fast ehrfürchtig um in 
diesem langgestreckten Zimmer mit seinen altmodi- 
schen Empiremöbeln, in dem einst das „junge 
Deutschland‘“ jung gewesen war. Ein feiner Duft 
entschwundener Tage, wie von verblichenen farben- 
frohen Blumen und vergilbten Folianten, die man 
in der blauen Dämmerstunde wieder einmal auf- 
schlägt, atmete in diesem Salon, der einmal der 
„Berliner Salon‘ gewesen. 
Da öffnete sich die Tür, und Varnhagens hohe 
Diplomatengestalt stand auf der Schwelle. In der 
vornehmen Ruhe seiner Haltung kopierte er ein 
wenig den alten Goethe. 
Mit dem feinen Lächeln, das einst den jungen 
Heine so bezaubert hatte, trat er auf Lassalle zu, 
streckte ihm die weiße Gelehrtenhand entgegen und 
sagte herzlich: „Ich freue mich sehr, Herr Doktor, 
Sie zu sehen.“ 
„Und ich freue mich, Herr Geheimrat, Sie so 
frisch zu finden. Wir haben alle sehr bedauert, 
Sie gestern unter uns zu missen.“ 
„Im Grunde,“ lächelte Varnhagen, „freue ich 
mich, Ihren Vergiftungsversuch —*“ 
„Sie wissen schon?“ fragte Lassalle emsig. 
„Gewiß, gewiß. Ganz Berlin weiß es schon. 
Mir sagte es Humboldt, der vorhin auf einen Augen- 
blick vorsprach. Aber darf ich Sie in mein Kabinett 
bitten? Hier ist es kalt — und —“ er senkte den 
Kopf, „hier gehen die lieben Geister meiner Ju- 
gend um.“ 
Sie traten in das an den Salon stoßende hohe 
Kabinett, das ein ernster Schreibtisch beseelte. Die 
Wände waren mit Bücherschränken überladen, hinter 
sinem grünen Vorhange lugten unzählige Schachteln
	        
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