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müssen!“ zischte sie. „Und wenn sie trotzen, dann
trägst du mich fort, hoch in die Lüfte, mein stolzer
Aar.‘“
Er floh mit ihr hinaus, weit fort von allen Ufern
der Vernunft. „Ja, dann fliehe ich mit dir, mein
Goldfuchs. Ich entführe dich nach Caprera. Dort
ist ein Kaplan Garibaldis, der wird uns trauen und
dann — dann ziehen wir weiter — nach Ägypten.
Dort bauen wir uns unser Nest.“
„Und die goldene Kutsche,“ bedachte sie, „mit
den sechs silberglänzenden Schimmeln? I“
„Später, später,‘ fabelte er, „kehren wir zurück.
Ich schwenke hoch das Banner meiner Tat, die
Trommeln wirbeln, die Bataillone marschieren, die
Erde dröhnt von ihrem Schritt —“ — —
Still glitzerten .die ewigen Sterne am dunklen
Sommerhimmel.
Sie kehrte nach Genf zurück. Er wollte am
Abend folgen. Und sollte am nächsten Tage vor die
Eltern hintreten und die Geliebte fordern. Ver-
sagten sie ihm ihr Kind — — dann winkte Caprera.
Als Lassalle am Abend in Genf in der Pension
Bovet aux Pacquis abstieg, übergab ihm die Zofe
der Liebsten einen Brief. Im Hausflur las er ihn.
„Mittwoch, den 3. August 1864.
Mein liebes Herz, mein schöner herrlicher Aar —
noch keine Stunde im elterlichen Haus, kann ich Dir
schon Neues — aber nur Trübes erzählen. Ich kam hier
an und fand meine kleine Schwester Margareihe als
verlobte Braut des Grafen Kayserling — das Glück und
die hohe Ereude darüber bei den Meinen ist nicht zu
beschreiben. Ach, Ferdinand, es tut mir wehe, zu denken,
wie verschieden mein Glück auf sie einwirken wird! —