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XVIII.

Full text: Lassalle / Schirokauer, Alfred (Public Domain)

361 — 
lang seine Rede für die heutige Versammlung mit 
der peinlichen Beharrlichkeit memoriert, mit der 
er sich auf jedes öffentliche Auftreten vorbereitete. 
Und am Abend hatte er, obwohl er sich nicht wohl 
fühlte und das alte Leiden wieder in den Gliedern 
wühlte, der Gräfin und Emma Herwegh, die zum 
Besuch bei ihrem Vater in Berlin weilte, die Rede 
gehalten. Dann aber war er zusammengebrochen. 
Er hatte in den letzten Wochen das Kapital seines 
Geistesvermögens verschleudert und stand vor einem 
Bankrott seines Hirns, 
„Wie geht es heute!“ war Sophie Hatzfelds 
erste angstbedachte Frage, 
„Etwas besser. Es muß einfach gehen. Ich 
muß heute abend in die Versammlung, und wenn es 
das’ Leben kostete.“ 
„Wenn du krank bist —*“ versuchte sie einen 
Einwand der Sorge. 
„Ich muß hin. Sonst schreit ganz Berlin 
morgen, ich hätte mich aus Furcht vor neuen Radau- 
szenen gedrückt. Den Triumph sollen meine Feinde 
nicht haben. Heute abend sollen sie toben, soviel 
sie wollen. Ich werde wie ein Fels in der Brandung 
stehen. Ich rede meine Rede heute zu Ende, Und 
das sollst du sehen, Sophie, wenn ich mir Gehör er- 
zwinge, dann reiße ich sie fort. Soll ich noch einmal 
dir den Schluß vormemorieren? Der ist doch un- 
widerstehlich !“ 
„Strengt es dich nicht zu sehr an!“ bangte sie, 
„Du siehst sehr angegriffen aus.‘ 
„Nein.‘“ Er stützte den Arm auf eine Stuhl- 
lehne, nahm unwillkürlich seine stolze Rednerpose 
ein und begann: 
„Und nun, ihr Arbeiter Berlins —*
	        
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