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Bismarck lächelte fein und rückte dem Besuch
einen Sessel zurecht. „Darf ich bitten, Herr Doktor,“
Und zu einem Wandschränkchen hinübergehend,
fragte er: „Sie rauchen doch?“
„Wenn ich darf, mit bestem Danke.“
Dann saßen die beiden Männer einander gegen-
über. Blauer Rauch ringelte sich in die Helle des
Zimmers empor. Und sie sprachen, freundlich, scher-
zend, bitter ernst, Jeder fühlte die Größe des
andern, jeder wußte: „Dort sitzt dein ebenbürtiger
Feind.‘
Lächelnd, in der bestrickenden Liebenswürdig-
keit des Diplomaten und Hofmannes, leitete der
Minister das Gespräch, vorsichtig und mit seiner
verblüffenden Kühnheit. Lässig saß seine sinnen-
frohe Germanengestalt vor dem schmächtigen, blei-
chen, um zehn Jahre jüngeren Manne mit der
von Arbeit und Denken herausgemeißelten Stirn,
mit den leidenschaftlichen, willensstarken Augen und
Worten.
Zwei Große der Weltgeschichte saßen sich
gegenüber, jeder eine noch ungeborene Welt im
Hirne tragend: der eine das Deutsche Reich, der
andere die deutsche Sozialdemokratie, zwei Mächte,
deren Kampf der Kampf der Zeit werden sollte.
In seiner chevaleresken Ungeniertheit, die jede
Förmlichkeit sofort bannte, fragte jetzt der Minister:
„Was verschafft mir die Annehmlichkeit Ihres Be-
suches ?**
Da erwiderte Lassalle: „Ich wollte mich bei
Eurer Exzellenz über die rasche Erledigung meiner
Solinger Depesche bedanken.“
Überrascht warf Bismarck den mächtigen Kopf