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dem ein starkes geschmeidiges Schwert geschmiedet
werden konnte. Das forderte Jahrzehnte.
Der Mann am Fenster ballte die Fäuste. Nein.
Er hatte nicht mehr Zeit, Jahrzehnte den Hochofen
zu schüren. Dazu fehlte ihm die Geduld und die
Ausdauer. — Hedwig hatte recht, er war ein Sieger
und Eroberer, kein Organisator und Märtyrer. Aber
was? was? Sollte das Werk elend verbluten nach
diesen leuchtenden Anfängen!‘ Jetzt verröcheln unter
dem Hohngelächter der Feinde!!
Er verrankte die Finger, daß sie in den Ge-
lenken knackten. Nein, nein, tausendmal nein! Das
nicht. Nicht das, nach all diesen Kämpfen und
Qualen und Hoffnungen seit den Jünglingstagen.
Nein, nicht jetzt feige die Fahne zu Boden werfen.
Aber was? was? 'So ging es nicht weiter. So er-
stickte das Werk. ‘
Er preßte die Stirn an die Scheibe und brütete.
Sekundenlang fiel silberleuchtend wie eine Stern-
schnuppe der alte Gedanke an Revolution durch die
Nacht seiner Verzweiflung — und versprühte. Dazu
war jetzt nicht die Zeit. Gewalt hatte keine Aus-
sicht. Aber was? was?
Er drückte die Stirn in die Scheibe, daß sie
dumpf auftönte. Was?’
Da wurde er so matt und so hilflos. Eine kind-
liche Sehnsucht nach einem Freunde sprang in ihm
auf. Einen Freund, mit dem er sich rückhaltslos
aussprechen, dem er all seine Not aus der über-
lasteten Seele herausbeichten, bei dem er Rat und
Trost und Aufrichtung finden könnte.
Er durcheilte die Reihe der Vertrauten. Ach,
da war keiner, der ihn verstehen würde. Nicht
Prietzel, nicht Bülow, nicht Korff, Ein bitteres