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VII.

Full text: Lassalle / Schirokauer, Alfred (Public Domain)

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traulich und verehrend zugleich, „ich habe Ihnen 
einen schönen Platz auf dem Belvedere reserviert, 
ganz hinten, wo es einsam ist. Und die neuesten 
Zeitungen habe ich auch für Sie versteckt.‘ 
Lassalle lachte , „Sie sind die Krone aller deut- 
schen Wirtstöchterlein, Fräulein Lieschen. Wenn 
ich ein Dichter wäre, würde ich Sie in hundert fröh- 
lichen Burschenliedern anmutig verewigen.‘ 
Er folgte ihr die engen Wege durch dichtes 
Fliedergebüsch, schritt vorbei an den weißen dicht- 
besetzten Holztischchen, an dem Bierausschank in 
tiefem Schatten einer Laube ging es hin; dann er- 
klomm er auf der alten wackeligen Holzstiege die 
Plattform, die sich an den Zaun der Grabenstraße 
schmiegte. Das war das „Belvedere“. Und vor ihm 
her raschelte das prächtige braunlockige Lieschen 
in ihrem frischgestärkten knatternden blumigen 
Kattunkleide und plauderte lebhaft und meinte, der 
Herr Doktor sei doch ein Dichter, denn sie habe 
ja das schöne Stück gelesen, das eben bei Herrn 
Duncker erschienen sei. Frau Lina habe es ihr 
geliehen. Also stände ihrer Verewigung im Liede 
eigentlich nichts entgegen. Und sie kicherte, daß 
die weiße Gesundheit ihrer Zähne aufglänzte im 
Lichte der Öllampen auf ihren grünen Pfählen: 
„Ich habe Sie expreß durch die Gebüsche geführt, 
damit Dunckers und die andern Sie nicht sehen. Die 
sitzen drüben am Hause. Ich weiß doch, der Herr 
Doktor will erst die Zeitung lesen.‘ 
„Sie sind nicht nur die Krone aller Wirtstöchter- 
lein, Fräulein Lieschen,‘“ erwog Lassalle, „Sie sind 
ein Engel, der den Verschmachtenden zur Quelle 
im Blätterparadiese führt. Ah, wohl dort hinten?
	        
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