144
traulich und verehrend zugleich, „ich habe Ihnen
einen schönen Platz auf dem Belvedere reserviert,
ganz hinten, wo es einsam ist. Und die neuesten
Zeitungen habe ich auch für Sie versteckt.‘
Lassalle lachte , „Sie sind die Krone aller deut-
schen Wirtstöchterlein, Fräulein Lieschen. Wenn
ich ein Dichter wäre, würde ich Sie in hundert fröh-
lichen Burschenliedern anmutig verewigen.‘
Er folgte ihr die engen Wege durch dichtes
Fliedergebüsch, schritt vorbei an den weißen dicht-
besetzten Holztischchen, an dem Bierausschank in
tiefem Schatten einer Laube ging es hin; dann er-
klomm er auf der alten wackeligen Holzstiege die
Plattform, die sich an den Zaun der Grabenstraße
schmiegte. Das war das „Belvedere“. Und vor ihm
her raschelte das prächtige braunlockige Lieschen
in ihrem frischgestärkten knatternden blumigen
Kattunkleide und plauderte lebhaft und meinte, der
Herr Doktor sei doch ein Dichter, denn sie habe
ja das schöne Stück gelesen, das eben bei Herrn
Duncker erschienen sei. Frau Lina habe es ihr
geliehen. Also stände ihrer Verewigung im Liede
eigentlich nichts entgegen. Und sie kicherte, daß
die weiße Gesundheit ihrer Zähne aufglänzte im
Lichte der Öllampen auf ihren grünen Pfählen:
„Ich habe Sie expreß durch die Gebüsche geführt,
damit Dunckers und die andern Sie nicht sehen. Die
sitzen drüben am Hause. Ich weiß doch, der Herr
Doktor will erst die Zeitung lesen.‘
„Sie sind nicht nur die Krone aller Wirtstöchter-
lein, Fräulein Lieschen,‘“ erwog Lassalle, „Sie sind
ein Engel, der den Verschmachtenden zur Quelle
im Blätterparadiese führt. Ah, wohl dort hinten?