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dorf. Lassalle mußte sich Gewißheit über diesen
neuen Frevelakt verschaffen. Er beauftragte seine
jungen ergebenen Freunde, den Dr. Mendelsohn
und den 'Assessor Dr. Oppenheim, den Sohn eines
der angesehensten ‚Berliner Patrizierhäuser, die
Baronin zu beobachten und zu versuchen, näheres
über die Schenkungsurkunde zu erfahren. Pflicht-
eifrig reisten sie der Baronin überall nach. In Köln,
im „Mainzer Hof‘, stiegen die Verfolger zugleich
mit der Meyendorf ab. Da bemerkte Oppenheim
unter den Gepäckstücken der Baronin eine Kassette.
Aufzuckte in ihm die Vermutung, daß diese Kassette
jene Urkunde berge, ohne weiteres Überlegen griff
er sie auf und eilte damit in Mendelsohns Zimmer.
Der Arzt erbleichte. Doch um den Freund nicht zu
verraten, barg er sie, da Oppenheim in der Eile ohne
Koffer gereist war, in dem seinen. Dann fuhren sie
Hals über Kopf davon, da man die Entwendung be-
reits bemerkt hatte. In der Kassette fand sich nichts
als 3000 Franken in Papieren, ein Kamm und ein
Zopf vom Haupte der Baronin. Bald darauf wurde
Oppenheim verhaftet und wegen Diebstahls vor die
Geschworenen gestellt. Sie sprachen ihn frei.
Jetzt kehrte Mendelsohn von Paris, wohin er
geflüchtet war, heim und stellte sich den Gerichten.
Wenn der Täter freigesprochen worden war, konnte
ihn, der nur dem Freunde nach der Tat beigestanden
hatte, doch keine Strafe treffen. Doch das Unglaub-
liche geschah. Er wurde zu fünf Jahren Zuchthaus
verurteilt. Freilich wurden sie im Gnadenwege zu
einem Jahr Gefängnis gemildert. Doch sein Leben
war vernichtet.
Nach Verbüßung der Strafe zog er in die
Fremde, trat als Arzt in türkische Militärdienste und