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Siebenter Abschnitt. Preußen und das Reich. Lebensende. 1898-1902

Full text: Ernst Lieber als Parlamentarier / Spahn, Martin (Public Domain)

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Es war ein erster Stillstand im Handeln, ein erstes Versagen 
von Liebers Parlamentspolitik im Reiche, das freilich noch kein Stille— 
stehen auch in ihrer ideellen Weiterbildung bedeutete. Diese vollzog 
sich vielmehr noch so lebhaft, daß er im Februar 1899 die Polenfrage, 
die wichtigste und peinlichste Frage der preußischen Politik, die er seit 
der Mitte des Jahrzehnts mit der äußersten Vorsicht behandelte, in den 
Kreis seiner Erörterungen im Reichstag einzubeziehen den Mut hatte. Er 
hatte nach und nach begriffen, daß der Völkerkampf im Osten gewaltige 
Gestalt annahm und sein Feuerbrand weit hinaus über jedes Partei⸗ 
getriebe loderte. Es galt ein Problem, das dem preußischen Politiker 
Tag und Nacht folgte, die deutschen Volksgenossen aber Schulter an 
Schulter rief. Die Situation im Parlament war unsagbar verwickelt. 
Die Polenpolitik des Zentrums führte in die 80 er Jahre zurück und 
war der schärfsten Oppositionsstimmung gegen Bismarck entsprungen. 
Viele Abgeordnete und die meisten Blätter der Partei schworen auf 
sie. Aber auch die Bahn der preußischen Zwangsverordnungen und 
gesetze gewährte nicht die Aussicht auf ein erreichbares Ziel. Der 
Führer der maßgebenden Fraktion des Reichstags suchte nach einem 
selbständigen neuen Wege. Die Schwäche unseres nationalen Bewußt⸗ 
seins im Vergleich zu dem der Nachbarn, sowie das Anpassungs- 
bedürfnis des Deutschen an das Fremde galten ihm als die Haupt— 
gefahren unserer Stellung im Osten. Helfen könne dagegen, so führte 
er aus, wenn der deutsche Gemeingedanke gesteigert und selbst gegen 
das kräftigste, das preußische Partikularbewußtsein mit aller Hingabe 
gepflegt, wenn ferner nicht durch Schärfe das deutsche Mitgefühl für den 
Fremden im Volke gereizt werde und wenn man nicht durch Unter⸗ 
drückung der Muttersprache die Fremden innerlich der deutschen Staats— 
ordnung abwendig mache. So befürwortete er eine Entwirrung der 
Lage durch die Selbsthilfe der Nation unter Nachhilfe von Reichs 
wegen; das besondere preußische Element des Problems vernachlässigte 
er. Indem er sich aber zum ersten Male darüber aussprach, legte er 
an den Tag, daß seine Vorstellung von dem, was zu tun sei, noch 
im allgemeinsten festhaftete. Auch hielt er für nötig, sich für ihre Dar— 
legung eines Vorwands, nämlich einer Erörterung über Nordschleswig 
zu bedienen und das polnische Problem nicht unmittelbar anzufassen, 
sondern von den nationalen Minderheiten insgesamt zu reden. 
Jene Wochen der Session kamen heran, da die Arbeit der Kom⸗ 
missionen so weit zu gedeihen pflegt, daß die ersten Entscheidungen im
	        
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