Siebenter Abschnitt.
Preußen und das Reich. Lebensende.
1898 1902.
Die neue Gesetzgebungsperiode, die für den Reichstag wie den
preußischen Landtag mit dem Herbst 1898 anfing, schien nicht minder
bedeutsam zu werden als ihre Vorgängerin. Hatte die Reichstätigkeit
in dem Wachstum der 8Oer und zumal der 9er Jahre ein neues
Organ nach dem anderen entwickelt, so ging es an der Jahrhundert⸗
wende wie ein Sehnen und Recken durch den Reichskörper, all sein
Leben mit einem einheitlichen Prinzip zu durchdringen und sich als
Ganzes neu zu gestalten. Wieder wie 1878/79 drängte er dabei am
ungestümsten auf die Ordnung und Stärkung seiner Finanzkraft;
auch in der Wirtschaftspolitik harrte er, da die Handelsverträge ab—
liefen, abermals auf eine große Wendung. Anderseits nahm sich der
Hohenzollernstaat, den die eigene Steuerreform finanziell gefestigt hatte
wie noch nie, mächtige Aufgaben vor. Die Polen innerhalb seiner
Grenzen hatten sich wirtschaftlich und völkisch erholt und waren zum
Angriff übergegangen; er traute sich zu, im Ringen wider sie seine
Ostmarken zu germanisieren. Zugleich beabsichtigte er den Bau eines
sein Territorium durchziehenden Kanalnetzes. Rhein und Elbe, Stettin
und Berlin sollten verbunden, der gesamte Oderlauf geregelt werden.
In die Reichspolitik griff der größte Bundesstaat durch diese Entwürfe
nicht über. Eher deuteten sie darauf, daß er in den Bann der Volks—
und Wirtschaftspolitik des Reichs geriet. Die Polenpolitik war ebenso
sehr nationaler, wie staatlicher Natur. Die Kanalvorlage vermochte
die Regierung kaum mit den preußischen Landtagsparteien zu er—
ledigen. Die Konservativen lehnten sie ab, und die Liberalen ver—
suchten aus ihr eine Machtfrage zu machen, um die Vorherrschaft der
Rechten in der Verwaltung zu erschüttern. Es schien der ausgleichenden