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Fünfter Abschnitt. Mitarbeit am Reiche. Bürgerliches Gesetzbuch und Flottenvorlage. 1894-1898

Full text: Ernst Lieber als Parlamentarier / Spahn, Martin (Public Domain)

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ander unabhängig machen könnte. Von derselben Idee ging die Vor— 
lage aus. Sie bestimmte, daß die Höhe der Matrikularbeiträge die der 
Überweisungen nicht mehr übersteigen dürfte. Stärkere Bedenken er— 
weckte den Parteien, daß die Einzelstaaten dafür vorläufig auf jede 
Rente im Miquelschen Sinne und später, wenn wieder Überschüsse 
erübrigt würden, im wesentlichen auch auf diese verzichten wollten. 
Künftige Überschüsse sollten, soweit sie aus den 1879 genehmigten Ein— 
nahmen herrührten, zur Schuldentilgung verwandt werden und nur, 
soweit sie aus der nachträglich bewilligten Branntweinsteuer und 
Stempelabgabe stammten, den Finanzministern zufließen. Eben die 
Form dieses Zugeständnisses, das sich mit Liebers im Vorjahre an— 
gedeuteter Idee zu decken schien, verriet, daß man den Schein der 
Franckensteinschen Klausel retten, dagegen ihre finanzielle wie kon— 
stitutionelle Wirkung durch die Vorlage tatsächlich aufheben wollte. 
Liebers Verhalten zu der Vorlage war eigentümlich. Er erörterte 
den Unwert der Matrikularbeiträge. Ihr konstitutioneller Wert sei 
gering. Finanztechnisch kämen sie auf ein bloßes Rechenexempel hinaus. 
Finanzpolitisch wären sie die blutigsten Steuern auf Vorrat, wie einer 
seiner Freunde gesagt habe. Denn soweit sie wirklich ein Einnahme— 
bewilligungsrecht darstellten, wäre „es ein solches lediglich aus fremder 
Tasche, zu Lasten der Einzelstaaten, ohne jede Verantwortung für einen 
von uns als Reichstagsmitglieder“. Schärfer hatte auch Miquel im 
Vorjahr nicht gesprochen. Hinterher aber steifte sich Lieber darauf, daß 
die Franckensteinsche Klausel trotz alledem um ihres finanziellen wie 
konstitutionellen Zweckes willen anerkanntes Recht bleiben müsse. Auch 
aus diesem Versuche, der die Klausel als organische Vorschrift aller⸗ 
dings noch nicht ersetzte, ward also nichts. Dagegen wurden 24 Milli⸗ 
onen neuer Steuern bewilligt. 
Ernstere Folgen hatte, daß die Partei ebenso die zweite Haupt⸗ 
vorlage des Winters, das Umsturzgesetz, scheitern ließ. Der Kaiser 
selbst hatte sie befohlen. Sie sollte, um die Staatsgewalt zu stärken, 
Bestimmungen hauptsächlich des Strafgesetzbuches verschärfen. In der 
Kommission wurde sie derart umgearbeitet, daß der Bundesrat das 
Interesse daran verlor. Das ungünstige Verhältnis des Kaisers zu 
der Partei war aber die bedenklichste Stelle in ihrem öffentlichen An⸗ 
sehen; ihre nationale Wirksamkeit, wie die des ganzen Reichstags wurde 
dadurch erschwert. Lieber war von jeher überzeugt, daß Wilhelm II. 
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