Path:
Dritter Abschnitt. Übernahme der Parteiführung. Schulgesetz und Wehrvorlage. 1888-1893

Full text: Ernst Lieber als Parlamentarier / Spahn, Martin (Public Domain)

35 
Zentrums zur Regierung wie über die Notwendigkeit der Militär⸗ 
vorlage. Der Reichskanzler unterstellte, daß das Zentrum eine kon— 
fessionelle Partei sei, die auf demokratische Abwege gerate. Lieber 
hinwiederum erklärte: „Wenn der Reichskanzler gesagt hat: wo steckt 
denn der Militaris mus in dieser Vorlage? so suchen und finden 
wir ihn in der fortschreitenden Entwickelung des preußischen Staats— 
gedankens zu einem deutschen Reichsgedanken, und wir verlangen im 
Interesse des Bestandes unseres Reichs, daß man hier im Reichstag 
deutsche Politik zu treiben sich verpflichtet wissen muß.“ Darauf ant⸗ 
wortete Herr von Helldorff für die Konservativen. Die Februartage 
des Jahres 1888 schienen sich im Reichstag zu wiederholen. Aber 
es war nur ein Ausflammen des einstigen Kampfes. Lieber erfuhr 
wohl noch die Anschuldigung demokratischer Gesinnung, er gab ihr 
keinen Vorwand mehr. In seine Rede hatte er eine ausführliche Dar— 
legung über das Wesen seiner Partei eingeflochten. Es war das 
erste Mal, daß sie ganz abgeklärt unter Ausscheidung jedes konfessio— 
nellen Elements als föderative und sozialpolitische Reichspartei hin⸗ 
gestellt wurde, als jene Partei, für die der Raum in der Partei⸗ 
organisation Deutschlands von Begründung des Reiches an offen 
gewesen war, zu der sie sich aber erst seit den ß0er Jahren, unter 
mannigfachen Zögerungen entwickelte. 
Der Reichstag wurde aufgelöst. Die Absplitterung, die das Zen⸗ 
trum durch Huenes Vorgehen erlitt, blieb auf wenige Mitglieder be— 
schränkt. Bei den Wahlen hielt sich die Partei gut. Der Konfliktsstoff 
wurde, ohne daß sie ihre Haltung ändern mußte, durch eine kurze 
außerordentliche Session beseitigt. Caprivi hatte sich den Antrag Huene 
als Regierungsvorlage angeeignet, eine geringe Mehrheit des neuen 
Reichstags stimmte ihm zu. In der Fraktion zeigte sich das Einheits— 
bedürfnis neu belebt, das politische Interesse der einzelnen Mitglieder 
war aufgerüttelt worden. Sie verfügte über etwa hundert Stimmen. 
In der Zusammensetzung der anderen Parteien waren kleine Verschie— 
bungen eingetreten. Dank ihnen wurde das Zentrum in der Gesamt⸗ 
gruppierung der Reichstagsparteien, sobald es zusammenhielt, nicht nur 
ausschlag⸗, sondern maßgebend. Lieber führte die Fraktion unbestritten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.