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Dritter Abschnitt. Übernahme der Parteiführung. Schulgesetz und Wehrvorlage. 1888-1893

Full text: Ernst Lieber als Parlamentarier / Spahn, Martin (Public Domain)

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preußische Regierung und die preußische Rechte suchen oder in der 
Reichspolitik dem preußischen Einfluß wieder entgegentreten sollte. Die 
Spannung war allgemach so stark geworden, daß schon eine nahe 
Zeit die Entscheidung bringen mußte. 
Zwei äußere Ereignisse gaben den Anstoß, daß die Lösung der 
Krisis sofort versucht wurde. 
Wiederholt seit 1880, je mehr die Fraktion als politische Partei 
in den Parlamenten mitarbeitete, hatte die Kurie auf Betreiben der 
preußischen Regierung auf ihre Entschlüsse Einfluß zu gewinnen ge— 
—XX 
dem beginnenden Frühjahr wiederholte sich das Bemühen Roms. Die 
Gruppe um Huene ließ seine Gründe auf sich einwirken. Bei der 
prinzipiellen Bedeutung aber, die dem Verhältnis der Fraktion als 
politischer Partei zu Rom zukam, ward nach der Meinung der Mehr—⸗ 
heit unter ihren hervorragenderen Mitgliedern von jenem Moment 
ab eine Itio in partes bei der Abstimmung über die Heeresvorlage 
unmöglich; der Bestand der Fraktion schien in Frage gestellt, wenn 
man zurückwich, ohne daß zwingende nationale Gründe vorlagen. 
Lieber persönlich beschäftigte die Schwierigkeit der Lage so, daß er sie 
sogar öffentlich besprach und in einer Volksversammlung zu Aschaffen— 
burg die Notwendigkeit der Erhaltung seiner Partei und die der Er— 
haltung der nationalen Wehrkraft in Vergleich zueinander stellte; er 
liebte die Bildung solcher Antithesen, die in ihrer Ausschließlichkeit 
nicht immer zutrafen. Freiherr von Huene jedoch beharrte nicht weniger 
auf seiner Meinung, und es zeigte sich, daß er über eine Vermittelung 
unterhandelte, die der Kanzler annahm. Er brachte einen Antrag ein, 
der sich auf den Boden des Organisationsplanes stellte und nur inner⸗ 
halb seines Rahmens Abstriche machte. 
Am Vorabend der zweiten Beratung des Entwurfs trieb die 
preußische Regierung die Erregung über die Lage vollends auf die 
Spitze. Sie war im Sommer 1891 mit dem Zentrum übereingekommen, 
daß sie das preußische Klassenwahlsystem einer Änderung unterwerfen 
werde, damit die neuen Steuergesetze dessen plutokratische Wirkung 
nicht erhöhten. Sie stimmte jetzt einer Einlösung jenes Versprechens 
durch die konservative Mehrheit des Landtags zu, die dem Zentrum 
das erwartete Ergebnis nicht gewährte. 
Die Debatte im Plenum des Reichstags am 5. Mai wurde aus 
der Lage heraus ebensosehr eine Debatte über das Verhältnis des
	        
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