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Dritter Abschnitt. Übernahme der Parteiführung. Schulgesetz und Wehrvorlage. 1888-1893

Full text: Ernst Lieber als Parlamentarier / Spahn, Martin (Public Domain)

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den Konflikt so wenig wie sein Widerpart. Er wiederholte nicht erst 
seine Forderung von 1880, daß die zweijährige Dienstzeit ohne Gegen— 
leisuung des Reichstags zu gewähren sei. Aber er stellte die Er—⸗ 
wägung voran, daß bei den inneren Verhältnissen der Partei, bei der 
Ungunst der wirtschaftlichen Zustände und nach den Vorgängen des 
letzten Winters im Landtag zur Stunde die höchste Vorsicht geboten 
sei. So weit als möglich müsse man im Rahmen der Windthorst⸗ 
schen Heerespolitik, insbesondere der Resolutionen Windthorsts zum 
Militärgesetz von 1890 bleiben. Noch bei der ersten Lesung müsse 
man sich deshalb vorzüglich gegen die mit der Neuorganisation beab— 
sichtigte volle Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht erklären. Das 
war der Sinn, das der politische Zweck seiner Rede, die er am 14. De— 
zember, am Tage nach Huenes Rede hielt. 
Die Kommissionsverhandlung über den Entwurf zog sich monate— 
lang hin. Lieber überzeugte sich nicht, daß er als Laie gezwungen 
sei, die Neuorganisation als dringlich und die Errichtung vierter Ba— 
taillone in halber Stärke bei jedem Regiment als organisatorisch wert⸗ 
voll anzuerkennen. Dennoch hat das Schicksal der Vorlage nicht hiervon 
abgehangen. 
Noch im Februar verhütete Lieber durch entschlossenes Dazwischen⸗ 
treten, daß der Kanzler in der Handelspolitik durch die Konservativen 
überrumpelt wurde. Im März wandte er sich mit auffallender Schärfe 
gegen Bebel, der das Heer wegen der Soldatenmißhandlungen an— 
geschuldigt hatte. Im stillen unterhandelte er fortwährend, um eine 
Krisis zu vermeiden. Ließ sich der Bundesrat auf eine andere Deckung 
der Kosten und ihre Regelung vor dem Beschluß über das Wehrgesetz 
ein, so hoffte Lieber anscheinend, seine Fraktion insgesamt für ein 
Entgegenkommen zu gewinnen. Es mag wohl sein, daß er durch 
eingewurzelte persönliche Meinungen die Deckungsangelegenheit über— 
schätzte; er hatte sich 18790 wie 1887 gegen die indirekten Steuern 
ausgesprochen, die jetzt erhöht werden sollten. Aber unleugbar dachte 
darin eine immer sich mehrende Zahl seiner Fraktionsgenossen wie 
er. Er wollte ihnen den Auszug auf dies Terrain, abgesehen 
von einer Drohung mit direkten Reichssteuern am 14. Dezember, im 
Januar vorbereiten, als er sich bei der Eröffnung des Landtages zum 
ersten Male die Fraktionsrede zum preußischen Etat übertragen ließ. 
Dort griff er Außerungen über das finanzielle Verhältnis des Reichs 
zu den Einzelstaaten auf, mit denen Miquel seine Erläuterung des
	        
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