Dritter Abschnitt.
Übernahme der Parteiführung. Schulgesetz und Wehrvorlage.
18882 1893.
In jener Februardebatte 1888, in der sich Lieber und die preu—
ßischen Konservativen so überaus heftig befehdeten, deutete Herr von
Rauchhaupt darauf hin, daß Lieber Ludwig Windthorst als Zentrums⸗
führer folgen dürfte. Die Tage Windthorsts eilten fast ebenso rasch
ihrem Abschluß entgegen wie die Bismarcks. Freilich rasteten die alten
Kämpen nicht selber, aber um sie her wurde es still. Auch Lieber
sprach fortan bis zum Frühjahr 1892 in den Parlamenten verhältnis-
mäßig wenig. Als Kollege redete er höflich sogar gegen Männer,
die er sonst derb zu schütteln liebte. Er sammelte und beruhigte sich.
Im Reichstag führte er zwar die Bemühungen um den Arbeiterschutz
auch 1889 noch rüstig weiter. Als er aber die Genugtuung erlebte, daß
der Reichstag sie insgesamt so gut wie einstimmig unterstützte, die
Reichstagskonservativen mit dem Zentrum im Verein vorwärtsdrängten,
der junge Kaiser in den Bundesrat Teilnahme brachte, exponierte er
sich nicht länger. Er befürwortete nur noch einzelne unwichtige An—
gelegenheiten und wärmer die Kulturausgaben, die im Etat gefordert
wurden. Eine Erkrankung nahm ihm dann die Möglichkeit, an der
für den Arbeiterschutz entscheidenden gesetzgeberischen Arbeit der Kom—
mission für die Gewerbeordnungsnovelle von 1891 sich zu beteiligen.
Im Jahr zuvor ergriff er ein vereinzeltes Mal im Landtag zu der
Vorlage über die Verwendung der Sperrgelder das Wort. Obwohl er
sie ablehnte, sprach er bei aller Würde friedensbedürftig, und dieses
Friedensbedürfnis klang im preußischen Abgeordnetenhause wie Resig⸗
nation.
Ein einziges neues Moment trat an Lieber damals im Parlament
in die Erscheinung. Der Reichstag war durch Bismarck von Anfang