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dem Bestand der Reichsgewalt durch Renten zu interessieren. Es schien,
als ob die Friderizianische und hannöversche Bauernschutzpolitik des
18. Jahrhunderts als moderne Arbeiterversicherungspolitik zum Besten
des Reiches wiederholt werden könnte. Schon die Thronrede im Fe—
bruar 1881 kündigte das erste Gesetz an. Die kaiserliche Botschaft
vom 17. November 1881 entwarf das ganze Programm. Mit ihr
begann die sozialpolitische Ära, die bis zum Jahre 1889 führte. Das
Zentrum zögerte der ersten Vorlage gegenüber. Billigte es gleich ihren
Grundgedanken, so fürchtete es doch, daß durch die Art seiner Aus—
führung dem Staatssozialismus Vorschub gewährt würde. „Da aller⸗
dings“, sagte Lieber im Hinblick auf einen besonders beanstandeten
Paragraphen, „bin ich der Meinung, müsse man den Anfängen Wider⸗
stand leisten.“ Aber bald begriff die Fraktion, daß sie wie 1879, so
auch jetzt mitarbeiten müsse, und es wurde das Verdienst ihres Vor—
sitzenden, des Freiherrn v. Franckenstein, daß er mit seinem Präsidial⸗
geschick als der Leiter sämtlicher Kommissionsverhandlungen, die der
Reichstag der Arbeiterversicherung 1881 bis 1889 widmete, nicht ruhte,
bis die Gesetze eins nach dem anderen zustande gekommen waren.
Taktisch hatte er dabei das ganze Zentrum hinter sich; nur zuletzt
überwogen bei der Alters- und Invalidenversorgung in der Mehrheit
der Fraktion die sachlichen Bedenken. Bismarck dagegen lehnte von
Anfang an mit wachsender Schroffheit ab, nun auch seinerseits die
staatliche Gewalt für den Arbeiterschutz zur Verfügung zu stellen. Er
vermißte an den Fragen des Arbeiterschutzes das bedeutsame politische
Interesse, das ihn zur obligatorischen Versicherung der Arbeiter be—
stimmt hatte. Er erklärte sie für rein wirtschaftlicher Natur, so daß
es seiner Staatsanschauung nach bedenklich sei, ob dem Reich ein Recht
des Eingriffes zustehe. Auf jeden Fall schilderte er sie als verwickelt
und nicht spruchreif und zog sich hinter die Notwendigkeit statistischer
Erhebungen zurück. Diskretionäre Vollmachten für den Bundesrat
lehnte er ab. Dann wieder hielt er den Reichstag durch eine entgegen⸗
kommende Allerhöchste Botschaft vom 14. April 1883 hin.
Da machten die Neuwahlen des Jahres 1884 das Zentrum zum
ersten Male zur ausschlaggebenden Partei des Reichstages. Zugleich
wurde durch sie mit dem Abgeordneten Hitze das erste Mitglied in seine
Reihen geführt, das über eine wirklich fachmännische Kenntnis der
sozialpolitischen Probleme verfügte und die Technik der sozialpolitischen
Gesetzgebung beherrschte Man konnte von da ab dem Kanzler er⸗