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Erster Abschnitt. Eintritt ins öffentliche und parlamentarische Leben. 1838-1878

Full text: Ernst Lieber als Parlamentarier / Spahn, Martin (Public Domain)

Da ward Liebers Herz, wie das vieler Männer, kalt gegen jenes 
Preußen, das die katholischen Priester zwingen wolle, „den präsenten 
Gott, Staat‘ anzubeten“. Bismarcks innerstem Wesen war er fremd, 
wie nur ein Rheinländer dem Sproß der Ostseemarken fremd sein 
konnte. Noch 1880 hörte er „mit größter Befriedigung“ von einem 
Virchow „als durchschlagenden Charakterzug der Politik des Fürsten 
Bismarck das hervorheben, daß er jeder Erörterung von Rechtsfragen 
aus dem Wege gehe, alles als offene materielle Frage auffasse, auf 
die rein technische Seite ziehe und nur das Gelüsten und die Be— 
quemlichkeit des Augenblicks als maßgebend gelten lassen wolle, damit 
aber nur durch allerlei zweifelhafte Operationen das Recht und die 
Kontinuität des Rechtsschutzes aus der Welt schaffe ... car tel est 
notre plaisir“. 
Zu solchen Übertreibungen verführte der Kulturkampf den Ab— 
geordneten desto mehr, je häufiger er 187351875 auftrat. Er 
sprach zu allen wichtigeren kirchenpolitischen Vorlagen. Sein Held 
und Vorbild unter den Volksvertretern war Hermann v. Mallinckrodt. 
Lieber hatte sich im Parlament seinen Sitz neben ihm gewählt, verlor 
den Freund freilich schon im Mai 1874 durch den Tod. Doch war 
das innere Feuer nicht in ihm, das Mallinckrodts Reden bei aller 
Schärfe den Gegnern erträglich erscheinen ließ; seine gewollte Schärfe 
wurde rücksichtslos und nicht zu Energie. Bei der Debatte über das 
Sperrgesetz sprach er im März 1875 schließlich so leidenschaftlich, daß 
er gleich darauf erkrankte und dann sich mehrere Jahre im Parlament 
im Hintergrund halten mußte. 
Gerade in der Überspannung des Zorns während jener März— 
beratungen war Liebers Blick indessen auf ein wirkliches Kernproblem 
der neueren deutschen Staatsentwickelung gefallen, und er hatte es so— 
gleich mit aller Klarheit beschrieben. Professor Gneist hatte von der 
nationalliberalen Seite her dem Zentrum vorgehalten, daß der preu— 
ßische Staat ehedem durch Jahrhunderte die kirchlichen Angelegenheiten 
seiner Katholiken eigenmächtig geregelt habe, ohne daß sie es ihm 
wehrten. Lieber verwies demgegenüber auf den Einschnitt, den der 
Pariser Friede 1814 in die preußische Staatsbildung machte. Seitdem 
seien große Provinzen an die Monarchie gekommen, die im Gegensatz 
zu Altpreußen vorwiegend von Katholiken bewohnt sind, und diese 
hätten durch ihre geschichtliche Tradition, sowie kraft der staats— und 
völkerrechtlichen Bürgschaft des Westfälischen und des Pariser Friedens
	        
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