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Erster Abschnitt. Eintritt ins öffentliche und parlamentarische Leben. 1838-1878

Full text: Ernst Lieber als Parlamentarier / Spahn, Martin (Public Domain)

in den deutschen Parlamenten stand, freute es ihn offensichtlich, seine 
junge Kraft zu erproben. Sie war noch nicht voll entwickelt, und 
Ungleichheiten in ästhetischer wie inhaltlicher Hinsicht störten das Eben— 
maß seiner Vorträge. Immerhin wurden sie schon genügend bemerkt, 
um die Art auch dieses Zentrumsmannes von nun ab in die Vor— 
stellung der politisierenden Massen Deutschlands einzuprägen. 
Der junge Lieber bewegte sich im Parlament von Anfang an 
mit der Bestimmtheit des fertigen Mannes, sie war das Ergebnis 
des traditionellen Selbstbewußtseins eines anerkannt tüchtigen Bürger— 
geschlechtes. Er war auf die Pflege seiner äußeren Erscheinung bedacht. 
Rastlos lebte er seiner Bildung, wobei er mehr ästhetisch-wissenschaft⸗ 
lichen als künstlerischen Liebhabereien nachging. Gern entwickelte er 
in Reden und Gesprächen allgemeine Gedanken und Ideen. Er drückte 
sie in einer gesuchten, wortreichen Sprache aus, welche sie wie mit 
glatten, schweren Falten umhüllte. In seinen persönlichen Sympathien 
und Antipathien schlug er stark und häufig um, was sich vielleicht am 
ehesten aus einer Nachwirkung rhätischen Blutes in ihm erklärt, die 
er der Abstammung seiner Familie aus Graubünden verdankte. Humor 
hatte er nicht, statt dessen die Neigung zu ironisieren, und wenn er 
gereizt wurde, zu schneidender, immer überlegter Schärfe. Nicht seine 
Ideen waren originell. Aber er konnte es in ihrer Begründung sein. 
Sichtlich hatte er Talent, nur war nichts Fließendes in seinem Wesen. 
Der Sohn seines Vaters — so erschien er auf der parlamentarischen 
Bildfläche. Moritz Lieber, nassauischer Legationsrat, war im katho⸗ 
lischen Volke hoch angesehen und jahrzehntelang mannigfach tätig ge— 
wesen. Durch ihn hatte Ernst gleichsam von Kind an, daheim wie 
in seinen Lehrjahren außerhalb, in einer Umgebung geistvoller Politiker 
gelebt. Seine Taufpaten waren Philipp Veit und Karl Ernst Jarcke. 
Jener war der deutsche Maler, dessen „Germania“ 1848 während 
der Frankfurter Nationalversammlung die Paulskirche schmückte; dieser 
hatte in den Z0er Jahren als Herausgeber des „Politischen Wochen⸗ 
blattes“ den Kreis um den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm 
publizistisch vertreten und danach an den „Historisch-politischen Blättern“ 
hervorragend mitgearbeitet. In seinen Jünglingsjahren hatte Lieber 
Gelehrter werden wollen. Äußere Umstände veranlaßten ihn, sich 
der Politik zuzuwenden. Er hatte, nach Jahren des Privatunter⸗ 
richts im Elternhause und des Gymnasialbesuches in Aschaffenburg, 
sowie in Hadamar, von 1858 bis 1861 in Würzburg, München, Bonn
	        
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