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Ferner wollte man nicht dem Bundesrat die Aufstellung der
Geschäftsbedingungen überlassen, da es nach der bisherigen Haltung
der preußischen Regierung auch der Bundesrat an dem weitesten
Entgegenkommen gegen die Börse nicht fehlen lassen werde‘). Es
sei Sache der Judikatur, in praxi von Fall zu Fall zu entscheiden,
ob ein verbotenes Börsentermingeschäft vorliegt oder nicht.
Auch die weiteren Erleichterungen, welche die Novelle gewährte,
wurden für die Produktenbörse in einem $ 68d des Kommissions-
entwurfs völlig beseitigt.
In der Regierungsvorlage war nämlich in $ 51 Abs. 3 ein neuer
Einwand geschaffen, der die Nichtigkeit der verbotenen Termin-
geschäfte geltend machen kann. Durch Ablauf von 6 Monaten, An-
erkenntnis, Sicherheitsstellung und Aufrechnung sollte dieser Einwand
beseitigt werden, ähnlich wie der Registereinwand bei den erlaubten
Termingeschäften. Die Regierung hatte sich so, entgegen ihrer son-
stigen Haltung ?), auf den Standpunkt des Reichsgerichts gestellt
und suchte in der Novelle nur die Folgen der Rechtsprechung auf
den Verkehr zu mildern. Das Ganze war eben nur ein Kompromiß,
mehr konnte man bei der wirtschaftlich reaktionären Strömung sicher
nicht erreichen, und der Erfolg bestätigte auch diese Auffassung,
indem überhaupt nichts erreicht wurde.
Für die Produktenbörse ergibt sich aus den Kommissionsbe-
schlüssen jedenfalls keine Veränderung der augenblicklichen unleid-
lichen Verhältnisse. Allerdings soll nach $ 68b eine Rückforderung
des einmal Geleisteten nicht mehr stattfinden, während dies bisher
nach $ 134 BGB. noch auf 30 Jahre hinaus geschehen konnte, aber
sonst bleibt alles beim alten. Börsentermingeschäfte in Getreide
und Mühlenfabrikaten sollen weder durch Ablauf von 6 Monaten
nach erfolgter Abwickelung noch durch Anerkenntnis wirksam werden,
Lieferung und Zahlung auf Grund solcher Geschäfte nicht verlangt,
geleistete Sicherheiten sollen zurückgefordert werden dürfen ®).
So wird auch in Zukunft über den Lieferungshandel der Berliner
Produktenbörse das Damoklesschwert des Reichsgerichts schweben,
daß es diese handelsrechtlichen Lieferungsgeschäfte mit einer den
Umständen nach angemessenen Nachfrist für Börsentermingeschäfte
erklärt und dann die oben erwähnten Folgen eintreten. Was aber
ganz besonders betont werden muß, ist, daß im Fall einer solchen
Entscheidung noch der Ausschluß dieser Geschäfte von der Börse
hinzutreten müßte und ein Zustand eintreten würde, den man volks-
wirtschaftlich aufs tiefste beklagen müßte, Haben doch schon die
Jahre 1897-—1900 bewiesen, wie wenig die Landwirtschaft und be-
sonders auch die Regierung eine zuverlässige Berliner Notiz ent-
hbehren können.
1) Graf Kanitz in der 76. Sitzung vom 26. April 1904.
2) Wir sahen oben, wie sich die Regierung bisher entschieden gegen die Nich-
tigkeit der untersagten Termingeschäfte wandte.
3) Eingabe der Aeltesten an den Reichskanzler vom 21. Januar 1906.