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liche Risikoprämie berechnen und diese dem Landwirt bei der Preis-
berechnung abziehen. Und zwar sind diese Provinzhändler um so
mehr am Lieferungsgeschäft interessiert, als sich ihnen durch den
Terminverkauf die Möglichkeit bietet, die Ware günstig zu lombar-
dieren, da dieselbe schon zu einem festen Preise verkauft ist und
daher nicht mehr durch einen Preissturz an Wert verlieren kann.
So wird dann der Händler wieder kapitalkräftig und ist im stande,
neue Posten Getreide den Produzenten zu guten Preisen abzunehmen.
Natürlich läßt sich auch nicht bestreiten, daß die Provinzhändler
andererseits beim Fehlen einer aufnahmefähigen Terminbörse durch
die höhere Risikoprämie wieder erhebliche Gewinne erzielen können,
zumal bei steigenden Konjunkturen, und daher oft Gegner einer
kräftigen Zentralbörse sind. Diesen Provinzhändlern paßte es teil-
weise ganz schön, als sie keine feste Berliner Notiz sahen, konnten
sie doch so im Trüben Preise geben, wie sie ihnen gerade paßten,
so daß man auch hier sieht, wie sehr sich die Landwirte durch eine
Lahmlegung des Terminhandels in ihr eigenes Fleisch schnitten.
Trotzdem sprechen sich die Vertreter der Landwirtschaft ganz
günstig über den Erfolg des Terminhandelsverbots aus, so seien
z. B. die Land- und Wochenmärkte seit Inkrafttreten des Bör-
sengesetzes mehr und mehr erstarkt und Berlins Bedeutung für
die Preisbildung mehr zurückgetreten. Es ist aber schon an
anderer Stelle erwähnt worden, daß Deutschland nach wie vor
Getreide-Importland geblieben ist und daher auch noch immer von
der Konjunktur des Weltmarktes abhängig ist, nur daß heute der
deutsche Getreidehandel kein entscheidendes Gegengewicht mehr
gegen spekulative Ausschreitungen der anderen Weltmärkte geltend
machen kann, wie es früher durch die Berliner Börse geschah. Es
ist das zum mindesten ein recht zweifelhafter Vorzug, einseitig von
den amerikanischen Börsen beeinflußt zu werden, als von Berlin,
Heute kann der Berliner Handel seinen durch das früher blühende
Termingeschäft erreichten Einfluß nicht mehr genügend ausnutzen
und ist oft ziemlich hilflos den Bewegungen der ausländischen
Börsen preisgegeben *).
Wenn also jetzt die kleinen Marktplätze nicht mehr so direkt
von der Berliner Notiz abhängig sind, so ist eben auch dort ganz
und gar der amerikanische Kurszettel an die Stelle getreten, und
es ist im höchsten Grade bedauerlich, wenn ein Land wie Deutsch-
land so vollkommen sein bisher wichtiges Mitbestimmungsrecht an
der internationalen Getreidepreisbildung aufgegeben hat. Man kann
von einer verringerten Abhängigkeit vom Weltmarkt nicht reden,
wenn z. B. auch die Zentralnotierungsstelle der preußischen Land-
wirtschaftskammern täglich die amerikanischen und russischen Preis-
1) Jahresbericht der Aeltesten 1897, S. 95 und 1898, 8. 60.