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V. Heutige Bedeutung des Berliner Lieferungshandels

Full text: Der Berliner Getreidehandel unter dem deutschen Börsengesetz / Ruesch, Hermann (Public Domain)

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mahlung gerade am besten gebrauchen kann, während er jedesmal 
in der Höhe des gekauften Postens sein Lieferungsgeschäft an der 
Börse realisiert und so auf jeden Fall gegen die Preisschwankungen 
gesichert ist. Auf diese Weise können die Mühlen ihren Einkauf 
auf mehrere Wochen und Monate sachgemäß verteilen. Ein ein- 
maliger großer Ankauf auf dem Effektivmarkt würde sich gar nicht ohne 
Zahlung eines höheren Preises bewirken lassen, ungerechnet die 
Zinsverluste für das auszulegende Kapital, die Lagerspesen, die 
Kosten des Schaufelns u. s. w.'). 
Das Unterlassen derartiger preissichernder Geschäfte würde jeden 
Händler, wie die Mühlen und Genossenschaften zu Spekulanten 
stempeln. Und doch liegt die Möglichkeit vor, daß der Richter in 
einem Geschäft, das nicht durch die Lieferung oder Abnahme der 
verkauften oder gekauften Ware ausgeglichen wird, ein Differenz- 
geschäft findet. 
Aber auch für die Provinzhändler, und somit auch schließlich 
wieder die Produzenten muß ein gesund funktionierender Lieferungs- 
handel einen ebenso großen Wert haben wie für den Importhändler 
und Müller. 
Wie sollte es überhaupt anders möglich sein, im Herbst die ge- 
waltigen Massen der heimischen Ernte ohne Preisdruck aufzunehmen, 
wenn der Handel nicht durch die Versicherungsmöglichkeit aufnahme- 
fähig bliebe! „Wenn diese Möglichkeit in der Jahreszeit, wo etwa 
die Hälfte der heimischen Produkte auf den Markt gebracht wird, 
nicht bestünde, so würde nur mehr der kapitalkräftige Spekulant in 
der Lage sein, die über den momentanen Konsumbedarf hinaus- 
gehende Erntemenge anzukaufen, und es ist selbstverständlich, daß 
diese Spekulantengruppe für die momentan nicht verwendbare Ernte- 
menge nicht den vollen Marktpreis, sondern einen erheblich geringeren 
Preis bezahlen würde, weil sie immer in Rechnung stellen müßte, 
daß sie die Gefahr eines etwaigen Preisrückgangs bis zur Absatz- 
möglichkeit tragen müßte“ 2). 
So wird z. B. bei uns in der Provinz Sachsen viel Weizen ge- 
baut, und es werden besonders im Herbst größere Posten von den 
Händlern angekauft, die dann die gekaufte Ware einlagern und zur 
Preissicherung per Lieferung nach Berlin verkaufen, da sich ge- 
wöhnlich eine Verschiffung im Winter wegen der KEisverhältnisse 
nicht mehr ermöglichen läßt. Im Warthe- und Netzedistrikt wird 
andererseits viel Roggen gebaut und im Winter in die Kähne ein- 
geladen, die dann im Frühjahr nach Eröffnung der Schiffahrt teils 
nach den Seehäfen zum Export, teils nach Berlin dirigiert werden. 
Wie sollte hier der Landwirt sein Getreide überhaupt los werden, 
wenn dem Händler die Möglichkeit. genommen wird, sich am Termin- 
markt zu sichern. Mindestens würde sich der Händler eine erheb- 
L) J. Bunzel, a. a. O. 8. 129. 
2) Horovitz, Die EffektivgescHäfte und börsenmäßigen 
Wiener Produktenbörse. Schmollers Jahrb., Bd. 27, S. 193. 
Termingeschäfte an der
	        
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