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II. Bedeutung des Terminhandels

Full text: Der Berliner Getreidehandel unter dem deutschen Börsengesetz / Ruesch, Hermann (Public Domain)

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vermöchte, aber Conrad sagt mit Recht!), daß um dem Boden das 
fehlende Quantum noch abzugewinnen, eine Intelligenz gehört, welche 
der großen Masse der deutschen Landwirte bis jetzt noch fehlt, und 
bis es gelungen ist, sie entsprechend zu heben, wird so viel Zeit 
vergehen, daß durch die Volkszunahme der Bedarf wieder um ein 
Beträchtliches gesteigert ist, ganz abgesehen davon, daß die je- 
weilige Witterung den Ernteausfall eventuell stark verändern kann 
und ein Importbedürfnis auch schon aus Rücksichten auf die Quali- 
tät nicht zu vermeiden ist, und gar nicht zu reden von kriegerischen 
Ereignissen, die eine geordnete Bedarfsversorgung vor allem zur 
Voraussetzung haben. Ob man nun überhaupt durch ein Termin- 
handelsverbot einen derartigen Abschluß vom Weltmarkt erreichen 
konnte, blieb zum mindesten sehr zweifelhaft, denn der Handel kann 
sich sehr rasch in seinen Formen den gegebenen Verhältnissen an- 
passen, und gerade im Börsengesetz vom 22. Juni 1896 war eine 
Umgehung außerordentlich leicht gemacht. Jedenfalls versuchen 
wollte man es, auf diese Weise sich vom Weltmarkt unabhängig zu 
machen, wenn man auch nach außen allerlei andere Beschwerden 
gegen den bösen Terminhandel vorbrachte. 
Ein Unglück war für die Berliner Börse, daß sich damals ge- 
rade hier so manche Mißstände fanden, so daß Unbeteiligte glauben 
mußten, derartiges wäre überhaupt mit dem Terminhandel verbunden 
und helfen könnte nur eine vollständige Beseitigung des Uebels. 
Als typisch galten immer die Fälle Cohn & Rosenberg und Ritter & 
Blumenfeld. Wenn man aber bedenkt, daß die einen bei ihren Ge- 
schäftsmanipulationen in kürzester Frist ihren Ruin fanden, während 
der andere nach kurzer Börsentätigkeit im Irrenhaus endigte, so 
waren das doch sicher Ausnahmen, die man billig nicht so verall- 
gemeinern kann. Denn Auswüchse finden sich auf jedem Gebiet. 
Den Landwirten waren aber alle diese Vorfälle äußerst will- 
kommen, jetzt hatte man Beweise, welch eine Gefahr für die ganze 
Volkswirtschaft im Terminhandel liegt. Die Spekulanten warfen 
beliebig große Produktenmassen nominell auf den Markt, dann 
wieder sperrten sie alles Getreide ein und verursachten so beliebig 
große Preisschwankungen, bei denen sie mühelos ihre Gewinne ein- 
heimsten. Dies und vieles andere wurde dann gutwillig geglaubt, 
und die handelsfeindliche Strömung hatte schließlich ihr Ziel erreicht. 
Während es vorher die amerikanische Konkurrenz und die Gold- 
währung war, wurde jetzt der Terminhandel als der Sündenbock 
hingestellt, der die Schuld an der schlechten Lage der Landwirt- 
schaft trug. 
Ob allerdings der erwünschte Erfolg eingetreten ist, bleibt eine 
andere Frage, auf die noch zurückzukommen sein wird. Jedenfalls 
ist es sehr interessant, wie sich der Handel mit den gesetzlichen 
Vorschriften abzufinden wußte, und zwar wird in folgendem speziell 
‚) Conrad in seinen Jahrbüchern, 3. F. Bd. 15, S. 657.
	        
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