10
entsprungen und keine bloße Erfindung der Börse zur Förderung
des Spiels, was eigentlich kaum erwähnt zu werden brauchte.
Bei der immer feineren Ausbildung des Nachrichtenwesens wird
so auch die Preisbildung eine weit richtigere, zumal bei den usance-
mäßigen Vertragsbedingungen jeder seine Meinung über den Vorrat
und Bedarf des Weltmarktes mit in die Wagschale werfen kann und
bei der Vielseitigkeit der Teilnahme unvorhergesehene Preisbewe-
gungen immer seltener werden. Besonders die für den Termin-
handel sehr wichtige Teilnahme des Kapitals wird durch diese Er-
übrigung einer speziellen Warenkenntnis gewährleistet. Oertliche
und zeitliche Differenzen werden immer mehr vermieden, alle Mög-
lichkeiten, die nach Maßgabe der augenblicklichen Verhältnisse auf
den Weltmarkt einwirken könnten, werden schon vorweg eskomp-
tiert, und schließlich spricht sich so im Terminpreis das Fazit der
allerverschiedensten in- und ausländischen Einflüsse aus, man hat
gleichsam einen Barometer, an dem man die Veränderungen ab-
liest !). Die Hauptaufgabe des Terminhandels ist überhaupt mehr
die Preisbestimmung als die tatsächliche direkte Befriedigung des
Bedarfs, und daher bringt denn auch eine kräftige Produktenbörse
die Interessen einer Volkswirtschaft geschlossen auf dem Weltmarkt
zum Ausdruck.
Von besonderer Wichtigkeit muß ein solches Mitwirken an der
internationalen Preisbildung für ein Importland wie Deutschland
sein. Bis zum Erlaß des Börsengesetzes nahm Berlin diese Stellung
ein. „In Berlin konzentrierte sich zusehends der endgültige inter-
lokale und intertemporale Ausgleich von Angebot und Nachfrage,
die Nivellierung und Feststellung der Preise, hier wurde Deutsch-
land als wirtschaftliche Einheit dem Auslande gegenüber repräsen-
tiert“ ?). Berlins Meinung gab damals in der Preisbildung für Roggen
sogar den Ausschlag. Der deutsche Getreidehandel konnte durch
die Berliner Terminbörse so mit Erfolg sein Gegengewicht gegen
die überseeische Konkurrenz geltend machen und bei der inter-
nationalen Preisbildung bestimmend mitwirken. Mit jedem be-
deutenden Handelsgebiet waren Verbindungen angeknüpft, und Berlin
hatte mit diesem durch ansehnliche Kapitalien unterstützten Ge-
schäft allmählich eine der ersten Stellen auf dem Weltmarkt für
Getreide errungen 3).
Für den effektiven Getreidehandel hatte der Terminhandel nun
noch aus dem Umstande eine besondere Bedeutung, als er dem
Händler die Gelegenheit bot, sich gegen die durch zeitliche Schwan-
kungen entstehenden Verluste zu sichern. Diese Versicherungs-
möglichkeit setzt den Handel überhaupt erst in stand, im Herbst
die gewaltigen Massen der heimischen Ernte ohne Preisdruck auf-
1) Emil Meyer, „Berichte über den Weizen-. Roggen- und Spiritushandel von
Berlin und seine internationalen‘ Beziehungen“, 1897.
2) W. Borgius, „Mannheim und die Entwickelung des südwestdeutschen Getreide-
handels‘‘, S, 111. Volksw. Abhandl. d. bad. Hochschulen, Bd. 2, Heft 1.
3) Jahresbericht der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft 1897, S. 94.