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so werden die vorhandenen Mißstände, besonders an der Berliner
Börse, an und für sich ein derartiges Vorgehen ebensowenig recht-
fertigen können, wie dies die vorhandene börsenfeindliche Stimmung
allein vermöchte. Die ganze Frage drehte sich überhaupt sowohl
in der Enquete als auch nachher in der Regierungsvorlage nur darum,
ob und welche Einschränkungen der Getreideterminhandel erfahren
sollte, und wie insbesondere dessen mißbräuchliche Ausnutzung durch
Heranziehung des Privatpublikums verhütet werden konnte.
Weshalb ist man nun auf die dahingehenden Vorschläge nicht
eingegangen und glaubte den Terminhandel ganz abschaffen zu müssen ?
Die wahre Ursache des Verbots wird wohl eben in dem Wesen des
Terminhandels liegen, nämlich in der Internationalität des Getreide-
handels, die er am reinsten zum Ausdruck bringt!). An und für sich
ist der Terminhandel nichts anderes als eine verfeinerte Technik
des individuellen Zeitgeschäfts, dem Bedürfnis des Handels nach
Erleichterung und Beschleunigung des Verkehrs entsprungen. Wäh-
rend beim einfachen Lieferungsgeschäft noch alle Vertragspunkte
dem freien Uebereinkommen der Kontrahenten überlassen sind, ist
beim Börsentermingeschäft der Vertragsinhalt, mit Ausnahme des
zu zahlenden Preises und der Quanten, wobei auch eine Minimal-
menge usancemäßig feststeht, dem Belieben der Kontrahenten ent-
rückt ?). Alle wichtigen Bestandteile des Kaufvertrags sind gleich-
mäßig durch Börsenusancen, meist verdichtet zur Börsenbedingung,
festgestellt, und so ist hier im vollendetsten Maße die Fungibili-
sierung durchgeführt, alle Geschäfte werden nach derselben Schablone
abgeschlossen. Natürlich kann es sich dabei nur um Massengüter von
gleicher Beschaffenheit handeln, um sogenannte vertretbare Güter,
zu denen auch das Getreide rechnet.
Vermöge dieser Gleichartigkeit aller Geschäfte ist es nun
ermöglicht, zu den festen Bedingungen der Termingeschäfte jeder-
zeit einen Käufer und Verkäufer zu finden und jede günstige
Konjunktur augenblicklich durch Termindeckung auszunutzen. Der
Kaufmann kann jetzt mit größter Leichtigkeit einen günstigen Mo-
ment zum Ankauf verwenden, ohne schon einen bestimmten Käufer
zu haben, und er kann verkaufen, ohne schon genau zu wissen,
woher er sich die Ware beschaffen wird. Dies mußte für den Han-
del natürlich eine große Erleichterung sein; „das technische Moment
der Uebertragung ist auf das möglichste vereinfacht, und die ökono-
mische Ueberlegung über die Verwendung der Waren findet in dem
zeitlichen Raume zwischen dem Augenblicke des Geschäftsabschlusses
und dem Tage der Lieferung die Gelegenheit zur freien Entfaltung
ihrer Wirksamkeit ohne das Anhängsel der körperlichen Gestalt der
Waren, die für diesen Zweck vielmehr nur eine Last ist“%. Der
Terminhandel ist eben einem wesentlichen Bedürfnis des Handels
1) Wiedenfeld, Art. „Getreidehandel‘“ im Handwörterbuch der Staatswissenschaften,
2) Wiedenfeld, ‚„‚Die Börse in ihren wirtschaftlichen Funktionen und ihrer recht-
lichen Gestaltung vor und unter dem Börsengesetz‘, S. 37.
3) G. Cohn, „Nationalökonomie des Handels und des Verkehrswesens‘“, S. 362.