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I. Enstehung des Börsengesetzes

Full text: Der Berliner Getreidehandel unter dem deutschen Börsengesetz / Ruesch, Hermann (Public Domain)

großer Wichtigkeit waren, durch Eintritt in die Börsenorgane mit- 
wirken zu können. Diesem Wunsche ist nun insofern entsprochen 
worden, als die Landesregierungen eine Vorschrift in die Börsen- 
ordnungen hineinbringen können, daß in den Vorständen der Pro- 
duktenbörsen die Landwirtschaft, die landwirtschaftlichen Neben- 
gewerbe und die Müllerei eine entsprechende Vertretung finden. 
In Preußen ist dieser Bestimmung durch $ 2 Abs. 4 des Gesetzes 
über die Landwirtschaftskammern vom 30. Juni 1894 entsprochen 
worden durch die Bestimmung, daß den Landwirtschaftskammern 
eine Mitwirkung bei der Verwaltung und den Preisnotierungen der 
Produktenbörsen nach Maßgabe der für die Börsen zu erlassenden 
Bestimmungen übertragen wird!). Die Ausführung dieser Anord- 
nung führte dann ja bekanntlich zu der Auflösung der bedeutend- 
sten Produktenbörsen, auf die noch zurückzukommen sein wird. 
Diese beiden Aenderungen, das Verbot des Terminhandels und 
die Aufnahme nichtkaufmännischer Mitglieder in den Börsenvorstand, 
mußten tief in die Lebensbedingungen der Produktenbörsen ein- 
schneiden. Es war überhaupt die Frage, ob der Handel mit diesen 
Beschränkungen seine wichtige Aufgabe noch ausreichend erfüllen 
konnte. Jedenfalls wäre es wohl möglich gewesen, auf andere Weise 
die vorhandenen Mißstände zu beseitigen, ohne dem Terminhandel 
gleich ganz den Garaus zu machen. Die Gesamtheit mußte so büßen, 
was nur einige Wenige an gewissenlosen und unlauteren Geschäfts- 
manipulationen gesündigt hatten. 
Auch in Handelskreisen war man einer Reform durchaus nicht 
abgeneigt gewesen ?), wie schon aus den Verhandlungen der Börsen- 
enquete ersichtlich wird, aber bei dem großen volkswirtschaftlichen 
Wert, den heute im Zeitalter des Weltverkehrs eine kräftige Zentral- 
börse bedeutet, durfte man auch dem Handel keine zu großen Hemm- 
nisse in den Weg legen, wenn man überhaupt dessen nutzbringende 
Bedeutung anerkannte. Solche radikalen Eingriffe in die Börsen- 
tätigkeit hatte jedenfalls bis zum letzten Augenblick niemand er- 
wartet. Jetzt zeigte sich, daß man die Anschuldigungen der Agrarier 
für viel zu leicht und unhaltbar genommen hatte, indem man es 
nicht für nötig hielt, denselben von Anfang an energisch entgegen- 
zutreten. „Man hatte übersehen, daß die öffentliche Meinung auch 
durch die unsinnigsten Schlagworte beeinflußt werden und der unrich- 
tigsten Ansicht zum Siege verhelfen könne“ 3. 
II. Bedeutung des Terminhandels. 
Fragt man sich nun nach den tieferen Gründen, die zu einer 
so radikalen Maßnahme eines Terminhandelsverbots führen konnten, 
1) Wermuth und Brendel a. a O., S. 33. 
2) So heißt es z. B. in einem Gutachten der Aeltesten der Berliner Kaufmann- 
schaft von 1904: „Auch wir teilen den Wunsch, daß diejenigen Kreise, die durch 
Beruf und Mittel nicht dazu berechtigt sind, nicht nur vom Terminhandel in Waren, 
sondern von Spekulationsgeschäften jeder Art sich fernhalten.“ 
3) J. Bunzel, „Der Terminhandel, seine volkswirtschaftliche Bedeutung und Reform“, 
Zeitschrift für Volkswirtsch., Sozialpol. und Verw., Bd. 6. 8. 388.
	        
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