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I. Enstehung des Börsengesetzes

Full text: Der Berliner Getreidehandel unter dem deutschen Börsengesetz / Ruesch, Hermann (Public Domain)

Parteien weit auseinander. Was speziell den wichtigsten Punkt für 
den Getreidehandel, den Terminhandel anbelangt, so glaubte die 
Rezierung, daß derselbe mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt, 
und an ein Verbot war in dem Entwurf ebensowenig gedacht, wie 
in dem Bericht der Börsenenquetekommission Derartiges verlangt 
war. Vielmehr hoffte man durch Verschärfung der Börsendisziplin 
und durch Einführung eines Terminregisters für Waren die Teil- 
nahme unberufener Personen an der Preisbildung verhindern zu 
können. Aber der Reichstag gab sich damit nicht zufrieden, be- 
sonders bei dem allgemeinen Widerwillen der Agrarier gegen die 
Tätigkeit der Börse überhaupt, die den internationalen Charakter 
des Getreidehandels am vollendetsten zum Ausdruck brachte, ge- 
wannen die Bestrebungen für ein Verbot des Terminhandels immer 
mehr an Boden. 
„Dazu kam die Unkenntnis des Börsenwesens in weiten Kreisen 
der maßgebenden Persönlichkeiten und eine heftige Agitation, welche 
die Leidenschaften derart entflammt und eine solche Flut von Be- 
hauptungen und sinnlosen Vorwürfen umhergeworfen hatte, daß auch 
klarer Blickende in diesem Wirrsal des rechten Weges verfehlten“ 1). 
Die Regierung versuchte vergeblich diesen unüberlegten Schritt eines 
Terminhandelsverbotes zu verhindern; während es in der Kommission 
noch gelungen war, den anfangs schon gefaßten Beschluß wieder 
rückgängig zu machen, indem die Regierung den Antrag energisch 
bekämpfte, nahm die dritte Lesung denselben wieder auf, und zwar 
wurde der Paragraph, der das Verbot des Terminhandels in Getreide 
und Mühlenfabrikaten aussprach, mit der stattlichen Majorität von 
200 gegen 39 Stimmen angenommen, obgleich es an Warnungen 
wahrlich nicht gefehlt hatte ?). Nicht mehr volkswirtschaftliche Er- 
wägungen, sondern politische Machtverhältnisse gaben den Aus- 
schlag 3), und die krasseste Interessenpolitik trat offen zu Tage. 
Man hoffte, so in der Preisbildung vom Einfluß des Weltmarktes 
unabhängig zu werden, und die heimische Produktion bei derselben 
wieder zur vollen Geltung zu bringen, was bei der Betrachtung des 
Terminhandels im nächsten Abschnitt noch deutlicher werden wird. 
Von Bedeutung für die Produktenbörse sollte ferner noch der 
8 4 des Gesetzes werden. Es war schon lange auch von der Regie- 
rung als eine nicht ganz unberechtigte Forderung der Landwirte 
angesehen worden, bei der Entscheidung von Fragen, die, wie 
die Festsetzung der Preise und der Lieferungsqualität, für sie von 
I) G. Wermert a. a, O., S. 191. 
2) So schrieb z. B. Eschenbach, den sicher der Vorwurf eines Börsenfreundes 
nicht treffen kann, in Bat 68 der Preußischen Jahrbücher (S. 517): „Ein Verbot des 
Terminhandels würde in letzter Linie die juristische Ungültigkeit überhaupt aller Zeit- 
bez. Fixgeschäfte involvieren, eine Möglichkeit, die für viele Zweige des modernen 
Wirtschaitslebens geradezu zum Ruin führen müßte.‘“ Mit Recht sagt derselbe Autor 
an anderer Stelle („Zur Börsenreform‘, S. 45), der Gedanke, überhaupt das Termin- 
und Zeitgeschäft ganz zu verbieten, zeuge von einer so ungeheuerlichen Ignoranz und 
Kurzsichtigkeit, daß auf ihn näher einzugehen wohl überhaupt nicht nötig sei. 
2) F. Galdenbaum a. a. O0. in Sehmollers Jahrhuch Bd. 24. 8. 2923.
	        
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