WALTER LEISTIKOW
Von JULIUS ELIAS
Am 24. Juli 1908 ist Walter Leistikow, dreiundvierzig Jahre alt,
gestorben. Einen, der „allen Tränen entrückt ist, haben die Parzen
verletzt.“ In stillem, heldenhaftem Kampfe hatte er schon lange das
Leben überwunden, und er endete mit dem Glorienschein eines Siegers
ums Haupt. Der Heimgang eines Künstlers, derim Gefühl der Zeitgenossen
lebte, ist nicht wie der Tod anderer Menschen: die sterben nur wenigen
Freunden, in dem Künstler aber ist der weiten Welt ein Freund ge-
storben. Allen Gegenwärtigen „regt er Sehnsucht auf“, und der
jugendlich Verendete stirbt „jedem Künftigen aufs neue“. Es sind
Freunde, die zu dem Totenfeste dieser, Leistikows Lebenswerk krönen-
den Nachlassausstellung wandern. Und während sie im Kunstwerk
anschauen, was er war und was er uns war, will ich von dem Schöpfer
dieser landschaftlichen Empfindungswelt erzählen: in welchem Licht
er mir erscheint als Maler, als Mensch, als Literat. Wie man von einem
alten Kriegskameraden erzählt. Die Geschichte der neueren Berliner
Malerschule ist eine Geschichte von Kämpfen: mit der künstlerischen
Tradition, mit der staatlichen Kunstübung, die zwar im Besitz ist, aber
meistens nicht im Recht, mit dem Publikum und nicht zum wenigsten
mit sich selbst. „Die Schule dieser Tage durchgegangen“, dies heisse
Schule, kann man ihre immerhin erfreulichen Ergebnisse heut mit
kühlerem Gemüt überschauen.
Im Kreis unserer „Freien Bühne‘, unter Dichtern, Mimen und
Kritikern hat sich einst ein junger Maler getummelt, der für eine
ringende Seele galt und dessen künstlerische Anschauungen wie Be-
mühungen umfassender und tiefer waren, als das sonst wohl bei jungen
Malern der Fall zu sein pflegt. Diese ringende Seele war am Friedrichs-
hagener Musenberg angesiedelt, wo damals die Gerhart Hauptmann,