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tion unkünstlerischer Massenartikel und des literarischen Schundes
wird in dem Maße abnehmen, in welchem das Verständnis der
breiten Massen unseres Volkes für künstlerische Werte zunimmt.
Soll Deutschland seine Stellung im Wettbewerb auf dem kunst—⸗
gewerblichen Weltmarkte behaupten oder verbessern, so muß
Kunstbetätigung und Kunstgenuß nicht mehr bloß das Vorrecht
der Kinder aus den oberen Klassen des Volkes sein, sondern es
muß der Kunstgeschmack der gesamten Jugend unseres Volkes
planmäßig durch Erziehung veredelt werden und das Bestreben
zur Herrschaft gelangen, der Häus lichkeit, der Arbeit, der
Muße, der ganzen Lebensführung die Weihe der Kunst
zu geben. Aus diesen allgemeinen und besonderen Erwägungen
heraus haben wir den Kunsterziehungsgedanken in unserem
Fürsorgeheim, allerdings in nur elementaren Anfängen, zu ver—⸗
wirklichen gesucht.
Abgesehen von dem Unterrichte in der Kunstpflege, der, wie
schon einmal erwähnt, wöchentlich einmal in der Fortbildungs—
schule erteilt wird, bietet das Anstaltsleben auch weiterhin in
Unterricht, Arbeit, Spiel und geselliger Unterhaltung ein Feld
für kunsterziehliche Bestrebungen. Deren Ziel kann entweder
Kunstgenuß oder künstlerische Betätigung sein. Daß mit
Kunstgenuß nicht hohle Kunstschwärmerei und mit Kunstbetätigung
nicht Massenzüchtung von Dilettanten gemeint sind, sei gleich
vorweg bemerkt.
Ohne Schulung des Farben- und Formensinnes ist ein
Genießen⸗- und Schätzenlernen von Werken der bildenden Kunst
nicht möglich. So werden nicht nur im Zeichenunterricht der
Volksschule, sondern auch durch Modellierübungen im Kinder—
garten und in der Tischlerwerkstatt Auge und Hand der Kinder
geübt, ihre Beobachtungsgabe und ihr plastisches Gefühl ent—
wickelt. An Blumen, welche die Schmuckbeete des Schulgartens
liefern, wird das harmonische oder störende Zusammenwirken der
Farben gezeigt, und die gewonnene ästhetische Einsicht suchen
die Kinder zu verwerten beim Anlegen von Zierbeeten, beim
Binden von Sträußen und Kränzen, beim Füllen der Vasen
in den Wohn⸗- und Klassenzimmern mit frischen Blumen oder
Dauersträußen, die Mädchen fernerhin bei ihren künstlerischen