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VI. Die Kunsterziehung

Full text: Praktische Erziehungsarbeit im Fürsorgeheim "Am Urban" / Plass, Louis (Public Domain)

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tion unkünstlerischer Massenartikel und des literarischen Schundes 
wird in dem Maße abnehmen, in welchem das Verständnis der 
breiten Massen unseres Volkes für künstlerische Werte zunimmt. 
Soll Deutschland seine Stellung im Wettbewerb auf dem kunst—⸗ 
gewerblichen Weltmarkte behaupten oder verbessern, so muß 
Kunstbetätigung und Kunstgenuß nicht mehr bloß das Vorrecht 
der Kinder aus den oberen Klassen des Volkes sein, sondern es 
muß der Kunstgeschmack der gesamten Jugend unseres Volkes 
planmäßig durch Erziehung veredelt werden und das Bestreben 
zur Herrschaft gelangen, der Häus lichkeit, der Arbeit, der 
Muße, der ganzen Lebensführung die Weihe der Kunst 
zu geben. Aus diesen allgemeinen und besonderen Erwägungen 
heraus haben wir den Kunsterziehungsgedanken in unserem 
Fürsorgeheim, allerdings in nur elementaren Anfängen, zu ver—⸗ 
wirklichen gesucht. 
Abgesehen von dem Unterrichte in der Kunstpflege, der, wie 
schon einmal erwähnt, wöchentlich einmal in der Fortbildungs— 
schule erteilt wird, bietet das Anstaltsleben auch weiterhin in 
Unterricht, Arbeit, Spiel und geselliger Unterhaltung ein Feld 
für kunsterziehliche Bestrebungen. Deren Ziel kann entweder 
Kunstgenuß oder künstlerische Betätigung sein. Daß mit 
Kunstgenuß nicht hohle Kunstschwärmerei und mit Kunstbetätigung 
nicht Massenzüchtung von Dilettanten gemeint sind, sei gleich 
vorweg bemerkt. 
Ohne Schulung des Farben- und Formensinnes ist ein 
Genießen⸗- und Schätzenlernen von Werken der bildenden Kunst 
nicht möglich. So werden nicht nur im Zeichenunterricht der 
Volksschule, sondern auch durch Modellierübungen im Kinder— 
garten und in der Tischlerwerkstatt Auge und Hand der Kinder 
geübt, ihre Beobachtungsgabe und ihr plastisches Gefühl ent— 
wickelt. An Blumen, welche die Schmuckbeete des Schulgartens 
liefern, wird das harmonische oder störende Zusammenwirken der 
Farben gezeigt, und die gewonnene ästhetische Einsicht suchen 
die Kinder zu verwerten beim Anlegen von Zierbeeten, beim 
Binden von Sträußen und Kränzen, beim Füllen der Vasen 
in den Wohn⸗- und Klassenzimmern mit frischen Blumen oder 
Dauersträußen, die Mädchen fernerhin bei ihren künstlerischen
	        
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