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Sämtliche Vereine legen im Gegensatz zu denen der Knaben
großes Gewicht darauf, die Programme, welche ihren Feiern zu—
grunde liegen und die sie den geladenen Gästen zuschicken, ge—
schmackvoll einzurichten und mit allerlei selbsterdachten sinngemäßen
Verzierungen auszuschmücken.
Aus den bisherigen Ausführungen ist ersichtlich, daß die
segensreichen Erfolge dieser Arbeit wesentlich dem konsequent
durchgeführten Erziehungsprinzip zu verdanken sind, daß die
Leiter der Vereine den ihnen anvertrauten Kindern allerdings
unter gewissen autoritativen Schranken hinlänglich Raum zur
freiheitlichen Entwicklung gelassen haben, ängstlich darauf
bedacht, nicht etwa durch zu starke Bevormundung diese
kräftigen Triebe der Entwicklung zu unterbinden. Gleich—
wohl bildeten doch, wie der Fachmann wohl gemerkt haben wird,
die Erzieher die Seele, die eigentlich treibende Kraft der Vereine,
ihren geistigen Mittelpunkt. Sie haben es verstanden, sich mit
pädagogischem Geschick und einer von echtem Idealismus ge—
tragenen opferwilligen Hingabe den Wünschen und Neigungen
der Kinder anzupassen und ihre Fertigkeiten in den Dienst der
gemeinsamen Sache zu stellen, ohne daß dadurch ihre Autorität
Einbuße erlitten hätte. Mit Recht sagt Pastor Backhausen, der
Leiter des Stephanstiftes in Hannover: „Es gehört Mut zu einer
solchen freiheitlichen Erziehung. Die Zöglinge wollen Er—
zieher, die sich selbst für sie hingeben. Sie wollen kraft—
volle Persönlichkeiten, an denen sie heraufranken können“
(vgl. Verhandlung über die Wirksamkeit des Fürsorgeerziehungs⸗
gesetzes, Carl Heymanns Verlag, Berlin 1906). Die Prophe⸗
zeiung eines pessimistischen Anstaltsleiters, daß durch dies von
uns angewandte System freiheitlicher Erziehung die Autorität
der Erzieher untergraben würde und die Disziplin in spätestens
vier Jahren in die Brüche gehen würde, hat sich nicht bewahr⸗
heitet, wie vorauszusehen war. Vielmehr ist gerade dadurch eine
Autorität der Erzieher zur vollen Herrschaft gelangt, die auf Ver⸗—
trauen und Liebe der Kinder basiert. Und gerade in den Ver⸗
einen ist diese Autorität am stärksten zur Geltung gekommen.
Sie war gewissermaßen der Grundton, um den sich die übrigen
Akkorde zu schöner Harmonie zusammenfügten.