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Der Gesangverein „Lorbeerkranz“ ist ein ureigenstes Er—
zeugnis der Anstaltszöglinge selbst. Er ist ohne jede Anregung
seitens der Erzieher aus dem Verlangen der Kinder heraus ge—
boren, sich selbst ein Organ gemeinschaftlicher Selbstbetätigung
im Dienste der Anstalt zu schaffen, wurde dann aber durch Mit—
wirkung eines Erziehers und eines Lehrers weiter ausgebaut
und befruchtet. Er verfügt über ein ansehnliches Repertoir schöner
patriotischer und religiöser Volkslieder, und dieselben sind durch
seine Vermittlung geistiges Eigentum der übrigen Zöglinge ge—
worden. Auch einige moderne Gesangstücke wie die Kompositionen
von Lilienerons Gedicht „Die Musik kommt“ oder Buschs „Mai—
käferstreich“‘ haben durch diesen Verein Eingang in unser Anstaltsleben
gefunden. Seine Hauptaufgabe erblickt er darin, an den Geburts⸗
tagen von Vorgesetzten sinnig zusammengesetzte Ständchen zu bringen
und besondere Vereinsfeste durch den Beitrag ihrer gesanglichen Pro—
duktionen zu verschönern. Aus der sich immermehr steigernden
Mitgliederzahl läßt sich erklären, daß in den Kindern der Wunsch
reifte, auch ein äußeres Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit, ein
Banner, ihr eigen nennen zu dürfen. Es mag dieser Wunsch
auch weiter seine Begründung dadurch erfahren, daß die Mit—
glieder des Gesangvereins hinter den andern Vereinen, die eine
Fahne besitzen, nicht zurückstehen wollten. Ihrer Bitte kam man
gern nach, und als einen Höhepunkt im Vereinsleben sahen die
Mitglieder den Tag an, an welchem ihnen nach feierlicher Fahnen⸗
weihe ein schön geschmücktes Banner überreicht wurde. An
Interesse gewinnt dieses Ehrenzeichen dadurch, daß an den
zeichnerischen Arbeiten zu demselben ein Zögling der Anstalt mit⸗
gewirkt hat. Das weiße, von breiten blauen Streifen umsäumte
Feld des Banners schmückt eine goldene Lyra, die von einem
Lorbeerkranz umrahmt ist. — Eine wohlgelungene Probe seines
Könnens hat der Verein abgelegt, indem er gelegentlich der Feier
des letzten Geburtstages des Kaisers den von Karl Hirsch
komponierten dreic, zum Teil vierstimmigen Satz „Für Kaiser
und Reich“ vortrug. Mit seinem, die Kaiserproklamation zu
Versailles verherrlichenden Inhalt schloß sich das Werk, von
Deklamationen begleitet, dem Verlauf unserer Feier im Andachts⸗
raum würdig an.