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Der rasch wachsende Verkehr, der mit jedem Jahre
die Bahn schneller zerstörte, machte der Freude ein
Ende.
Der letzte Schlittenkorso, dessen ich mich entsinne,
fand 1844 auf schneelosem schmutzigem Steinpflaster
statt — nur die Rinnsteine paradirten mit ihren
„Schneebergen“ — — —
Zu derselben Zeit wurde unter dem alten Cerf,
dem Vater des Victoriatheater-Cerf, im seligen König—
städtischen Theater Holtei's „Lenore“ oft und mit
großem Beifall gegeben. Holtei kam mehrere Male
zu uns, klagte meinem Vater, daß er, fest überzeugt,
das Königliche Theater werde seine Lenore annehmen,
die Rolle des Wallheim für meinen Vater geschrieben
habe und sich einen Andern als Wallheim garnicht
vorstellen könne und daß dem königstädtischen Dar—
steller der Rolle gar Vieles, besonders aber meines
Vaters unwiderstehlich packende Gemütstiefe fehle, die
den Wallheim zur Hauptperson des Dramas machen
sollie. — Immer wieder bat er meinen Vater, doch
mal zu einer Aufführung von „Lenore“ hinaus zu
kommen. — Hinaus! — Was sagt das heutige Berlin
dazu? Hinaus nach dem Alexander-Platz! —
Von der Vorstellung selbst ist mir fast garnichts
in der Erinnerung geblieben, denn sie war durchweg
kaum mittelmäßig. Sehr natürlich! Denn Fritz
Beckmann's Stern stand im Zenith und deshalb
wurde im „Hirsch-Tempel“ nur die berliner Posse
kultivirt und Possendarsteller sind eben nicht sehr
geeignet, Holtei's Lenore zu künstlerischer Geltung zu
bringen — aber die Hauptscene jenes Abends, die