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Berlin anno dazumal im Winter

Full text: Humoristische Rückblicke auf Berlins "gute alte" Zeit von 1834 bis 1864 / Wauer, Hugo (Public Domain)

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Der rasch wachsende Verkehr, der mit jedem Jahre 
die Bahn schneller zerstörte, machte der Freude ein 
Ende. 
Der letzte Schlittenkorso, dessen ich mich entsinne, 
fand 1844 auf schneelosem schmutzigem Steinpflaster 
statt — nur die Rinnsteine paradirten mit ihren 
„Schneebergen“ — — — 
Zu derselben Zeit wurde unter dem alten Cerf, 
dem Vater des Victoriatheater-Cerf, im seligen König— 
städtischen Theater Holtei's „Lenore“ oft und mit 
großem Beifall gegeben. Holtei kam mehrere Male 
zu uns, klagte meinem Vater, daß er, fest überzeugt, 
das Königliche Theater werde seine Lenore annehmen, 
die Rolle des Wallheim für meinen Vater geschrieben 
habe und sich einen Andern als Wallheim garnicht 
vorstellen könne und daß dem königstädtischen Dar— 
steller der Rolle gar Vieles, besonders aber meines 
Vaters unwiderstehlich packende Gemütstiefe fehle, die 
den Wallheim zur Hauptperson des Dramas machen 
sollie. — Immer wieder bat er meinen Vater, doch 
mal zu einer Aufführung von „Lenore“ hinaus zu 
kommen. — Hinaus! — Was sagt das heutige Berlin 
dazu? Hinaus nach dem Alexander-Platz! — 
Von der Vorstellung selbst ist mir fast garnichts 
in der Erinnerung geblieben, denn sie war durchweg 
kaum mittelmäßig. Sehr natürlich! Denn Fritz 
Beckmann's Stern stand im Zenith und deshalb 
wurde im „Hirsch-Tempel“ nur die berliner Posse 
kultivirt und Possendarsteller sind eben nicht sehr 
geeignet, Holtei's Lenore zu künstlerischer Geltung zu 
bringen — aber die Hauptscene jenes Abends, die
	        
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