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Berlin anno dazumal im Winter

Full text: Humoristische Rückblicke auf Berlins "gute alte" Zeit von 1834 bis 1864 / Wauer, Hugo (Public Domain)

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Berlin anno dazumal im Winter. 
Ich kann nie an unsre idyllische Wohnung in der 
Bellevuestraße zurückdenken, ohne daß sich mir das 
Bild der Leipzigerstraße im Winter aufdrängt. 
Wer nicht bis vor der Einrichtung der Kanalisation 
zurückdenken kann, der kann sich garkeine Vorstellung 
von Berlin von anno dazumal im Winter machen 
und wird meine Schilderung sehr übertrieben finden. 
Sie ist aber durchaus wahrheitsgetren. 
Die Leipzigerstraße war auch damals schon eine 
der vornehmsten Straßen Berlins; in einer Beziehung 
sogar vornehmer, als jetzt, denn von der Wilhelm⸗ 
straße bis zum Tore war kein Laden zu finden. 
Eine „Schönheit“ aber machte sich auch im Sommer 
bemerkbar. Das Haus Nr. 1238 gehörte nämlich einem 
Schlächter, der, wie damals alle Schlächter, in seinem 
Hause schlachtete. Und da er eine sehr große und 
wohlhabende Kundschaft hatte, so schlachtete er wöchent— 
lich mehrere Male und dann lief wöchentlich mehrere 
Male das dampfende, weil mit heißem Wasser ver— 
mischte Blut durch des Hauses Abflußkanal in den 
Straßenrinnstein, in dem es dampfend nach beiden 
Seiten abfloß und sich erst nach je 15220 Metern 
im Schmutz des Rinnsteins verlief. Im Haufe aber 
stank es unerträglich. 
Im Winter blieb die ganze blutige Schmutzerei 
permanent liegen, bis Schnee und Eis weggetaut 
waren! 
Und wie es in der vornehmen Leipzigerstraße 
war, so war es selbstverständlich auch in allen andern
	        
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