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Tür in der Lennöstraße und erblickten nun über der
Stadtmauer, jetzt Königgrätzerstraße, einen Feuerschein,
so riesig, wie ihn noch keiner von uns gesehen hatte.
So hell und grell, daß wir jede Person der Familien,
die vor ihren Gartentüren in der Lennéstraße standen,
ganz genau erkennen konnten.
Der „tutende“ Nachtwächter hatte selbstverständlich
keine Ahnung, Was brannte. Woher sollte er es auch
wissen? Telegraphen gab es noch nicht.
Plötzlich schallte von der Stadtmauer her die
Riesenstimme meines ältesten Bruders:
„Va—ter!! Das O—pern-haus brennt!!“
Der Eindruck dieser „Donnerworte“ ist in Kürze
nicht zu beschreiben! Vater stand tief erschüttert. Das
Haus, in dem er durch zweiundvierzig Jahre als
Liebling seiner Könige und des Publikums gewirkt
hatte, ein Raub der Flammen! — Wir alle waren
wie gelähmt. Dann brachen Mutter und Schwester in
ein heftiges Weinen aus, und von den vor ihren
Türen stehenden Familien, fast ohne Ausnahme Opern⸗
enthusiasten, wie heute vielleicht nicht einer mehr zu
finden ist, erschallte ein weithintönendes Jammern und
Wehklagen.
Aber nun war für meinen zweiten Bruder und
mich kein Halten mehr! In Hauskleidern, mit Haus⸗
schuhen, ohne Kopfbedeckung, quer durch den Tiergarten,
durch das Brandenburger Tor, die Linden hinauf!
Schon vor der Friedrichstraße war kaum mehr weiter—
zukommen. Aber wir zwei junge Riesen brachen doch
so weit durch, daß wir, unter der Akademie-Uhr
stehend, das imposante, grandios-schöne Schauspiel
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