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"Von's Vorsteetsche Theater"

Full text: Humoristische Rückblicke auf Berlins "gute alte" Zeit von 1834 bis 1864 / Wauer, Hugo (Public Domain)

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Die Frau war bei der Geburt eines Knaben ge— 
storben; fünf Minuten vor ihr der Knabe. Hätte dieser 
sechs Minuten länger gelebt, dann wäre er der un— 
bestreitbare Erbe seiner Mutter und Schindler der un—⸗ 
bestreitbare Erbe seines Sohnes gewesen!! 
O sancta justitia!!! — — — — 
Von unsern Vorstellungen in der „Laetitia“ steht 
mir besonders eine, „Der Sohn der Wildnis“ lebhaft 
vor Augen. 
Selbstverständlich bewarben sich Mehrere um die 
Rolle des Ingomar. Am eifrigsten Hager, unser 
jugendlicher Liebhaber. 
Dieser Darsteller jugendlicher Helden war polizei— 
widrig klein und Summa Summarum süßer als eine 
Mischung von Honig, Zucker, Lakritzen und Syrup! 
Noch kleiner als Rouge der Nußknacker, flötete 
er mit fast ununterbrochenem elegischen Augenaufschlag 
alle seine Rollen mit der Unschuldsmiene einer keuschen 
Jungfrau, weshalb er von den Laetitia⸗-Jungfrauen 
leidenschaftlich angeschwärmt, von den Kollegen aber 
schnöder Weise echt berlinisch „Sirop“ genannt wurde. 
In der allwöchentlich stattfindenden Konferenz, in 
der die Rollen besetzt und verteilt wurden, sagte Gräbert: 
„Ne, Hager, das jeht denn doch nich. Sie sind 
ja ein sehr guter junger Liebhaber, aber Ingomar, 
ne, dafür sind Se viel zu niedlich! Ne, nich in die 
Lameng! Ne, eher jebe ich ihn Schindlern!“ 
Fast ebenso eifrig, wie „Sirop“, bewarb sich 
Bethge, unser Bonvivant. Er war ein auffallend 
schöner junger Mann, genau so groß, wie ich; aber 
mit dem ersten Blick erkannte man, daß seine Kräfte
	        
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